„Schreiben ist ein Handwerk, aber auch Kunst“
Ein Gespräch mit Cori Kane
Cori Kane schreibt seitdem sie 14 Jahre alt ist, angefangen hat sie mit Gedichten und kleinen Geschichten. Seit dem letzten Jahr veröffentlicht sie regelmäßig Kurzgeschichten, im Mai dieses Jahres erschien ihre Novelle „The Affair“.
Cori probiert viele Kreativformen aus und nutzt dafür auch die unterschiedlichen Möglichkeiten im Internet. Seit sie im Jahr 2000 mit Fanfiction startete, hat sie unter anderem ihren Blog mit vielseitigen Beiträgen gefüllt und ist zum Beispiel auf Twitter sowie Tumblr vertreten.
Cori, ich freue mich sehr, dass du dir Zeit für dieses Interview nimmst. Auf deinem Blog setzt du dich unter anderem mit dir und deinem Schreibprozess auseinander. Du erzählst von schwierigen Zeiten, aber auch, dass du es immer wieder schaffst, deine Projekte weiter zu verfolgen. Wie geht es dir momentan mit dem Schreiben?
Danke, dass du mich gefragt hast, dieses Interview zu machen. Ich hatte ein paar Rückschläge dieses Jahr, aber ich habe endlich wieder angefangen zu schreiben. Es ist schwierig, sich nach einer relativ langen Zeit wieder hinzusetzen und täglich zu schreiben. Aber wenn das erst geschafft ist, dann läuft es auch. Und im Moment läuft es. Ich arbeite an einer Geschichte, die ich letztes Jahr angefangen habe: Halfway Home. Ich mag die Charaktere sehr, die Geschichte entwickelt sich allerdings noch in meinem Kopf. Ich hoffe, es wird ein Roman, wenn’s fertig ist.
Wie konntest du dich motivieren, wieder regelmäßig zu schreiben?
Ich glaube, das hat mit Motivation gar nicht so viel zu tun. Motiviert bin ich fast immer. Aber wir kennen das alle: es kommen einem Sachen dazwischen, im Leben läuft nicht alles rund, und das Schreiben kann man immer aufschieben. Ich musste zuletzt auf einen Zeitpunkt hinarbeiten, an dem ich gesagt habe: jetzt setz dich dahin und schreib. Und das hab ich dann gemacht. Aber wenn man erst einmal wieder richtig angefangen hat, dann kann man auch täglich wieder an den Schreibtisch zurückkehren und weiter geht’s.
Wie oft schreibst du und wie schaffst du es, das Schreiben in deinen Tagesablauf zu integrieren?
Ich hab nicht so wirklich einen geordneten Alltag, vor allem dadurch, da ich im Moment Arbeit suche. Sprich, bei mir läuft alles durcheinander und ich versuche immer, mir einen Stundenplan zu formen, oder zumindest eine Abfolge, die ich einhalte. Schreiben ist ein Punkt in dieser Abfolge, zumindest im Moment, bis alles wieder wild durcheinander läuft. Zurzeit schreibe ich etwa zwei Stunden am Tag, aber ich hab erst wieder angefangen. Das wird sich also steigern. Ich verwende außerdem noch Zeit für Recherche für eine Geschichte, die ich hoffentlich nächstes Jahr beginnen kann.
In diesem Jahr ist die Geschichte „Versch(l)ossen“ in der Anthologie „Suche Herz mit Namen“ veröffentlicht worden; zwei Frauen lernen sich kennen, weil eine von den beiden aus Versehen zwei Räder zusammengekettet hat. Erzähl mir etwas zur Entstehung dieser Geschichte. Woher kam die Idee? Wie hast du die Figuren entwickelt?
Die Idee für ‚Versch(l)ossen‘ ist schon recht alt, bestimmt schon zehn Jahre. Den Anfang hab ich damals geschrieben und die Geschichte für die Anthologie beendet. Damals hab ich fast mal mein Fahrrad mit einem anderen zusammengeschlossen und dachte, das wäre ein guter Ausgangspunkt für eine Geschichte. Erstaunlicherweise hab ich dann über zwei Figuren nachgedacht, die zwei ehemaligen Klassenkameradinnen recht ähnlich waren. Das mache ich normalerweise nicht, Charaktere nach Leuten formen, die ich kenne. Aber in dem Fall passierte das ganz natürlich. Die Ähnlichkeit ist aber oberflächlich – die beiden Mädchen, Frauen inzwischen, habe ich seit vielen Jahren nicht gesehen.
Schreibst du Geschichten parallel, oder schließt du erst eine ab, bevor du die nächste anfängst?
Das kommt auf das Format an. Fanfictions habe ich schon parallel geschrieben, ebenso wie Kurzgeschichten. Wenn ich an einer langen Geschichte arbeite, versuche ich immer, mich nur darauf zu konzentrieren – es sei denn, ich hab eine so gute Idee für eine Kurzgeschichte, dass ich sie einfach schreiben muss. Recherche läuft währenddessen immer nebenbei, und ich denke auch immer nebenbei noch über andere Geschichten nach.
Deine Muttersprache ist Deutsch, du schreibst zusätzlich auf Englisch, wie kam es dazu?
Am Anfang habe ich nur auf Deutsch geschrieben, aber als ich in der Schule Englisch gelernt habe, habe ich gemerkt, dass ich eine natürliche Affinität zu dieser Sprache habe. Ich habe angefangen, Bücher auf Englisch zu lesen. Es hat lange gedauert bis ich mich getraut habe, tatsächlich auf Englisch zu schreiben. Anfangs war das Fanfiction. Aber die Leute, die’s gelesen haben, mochten es. Und jetzt schreibe ich hauptsächlich auf Englisch. Der Markt ist größer und ich mag, dass die Sprache fließt, während Deutsch immer ein bisschen holprig daherkommt.
Wo findet man dich im Netz?
Wo findet man mich nicht? Ich hab Twitter, Facebook, Tumblr – alles unter dem Namen Corikane oder Cori Kane. Außerdem auch LiveJournal und Dreamwidth. Meine Fanfiction kann man auf Fanfiction.net und AO3, archiveofourown.org, finden. Und dann habe ich noch diverse Blogs. Der wichtigste ist mein Schreiberblog, den ich versuche zweisprachig zu halten, aber das meiste ist auch hier auf Englisch.
In welchem sozialen Netzwerk, bzw. auf welcher Seite liegt deine Hauptaktivität und warum?
Ich denke, ich verbringe meine meiste Zeit auf Tumblr. Ich habe einen Fanblog, was auf Tumblr bedeutet, ich reblogge einen Haufen Posts von Leuten, die dieselben Dinge mögen wie ich. Ich mag Tumblr vor allem, weil es sich wie ein Durchschnitt durch die Weltbevölkerung anfühlt, eine recht queere Welt, mit ganz vielen unterschiedlichen Erfahrungen und Meinungen. Ich finde das sehr interessant, aber die Gefahr besteht, dass man sich verliert. Im Moment versuche ich, mich zeitlich dort etwas einzuschränken. Aber an sich schaue ich auf den meisten Seiten mindestens einmal täglich vorbei.
Das klingt nach viel Input und einem regelmäßigen Austausch mit anderen, warum ist dir das wichtig?
Das ist eine Menge Input und, wie gesagt, man kann sich leicht verlieren. Aber das ist die virtuelle Welt und ich finde es dort einfacher, mich zu bewegen und Kontakt zu Leuten aufzubauen. Ich bin kein sehr sozial-aktiver Mensch. Ich habe meine Familie, ein paar Freunde, aber im Alltag nicht viel Kontakt zu anderen. Es können Tage vergehen, ohne dass ich mit einem einzigen Menschen rede. Das liegt nicht nur daran, dass ich introvertiert bin, das liegt vor allem daran, dass ich sehr verkopft bin. Manchmal will ich über eine meiner Lieblingsserien reden, oder ein gutes Buch, oder was auch immer und dann finde ich garantiert jemanden auf Tumblr, der sich auch dafür interessiert. Und dann ist das wieder erledigt. Das sind nicht zwangsläufig tiefsinnige Gespräche, aber ich muss nicht mal meine Wohnung verlassen, um mit Leuten in Australien oder den USA zu reden. Oder halt in Klein Kleckersdorf, wenn mir danach ist.
Du hast dich vor knapp fünfzehn Jahren entschieden, deine Art zu Schreiben durch Fanfiction öffentlich zu machen. Erzähl mir davon.
Damals hab ich mich mit anderen Xena-Fans in einem Forum ausgetauscht und dort auch Gedichte eingestellt. Irgendwann meinte einer der Jungs dort: deine Gedichte sind so gut, wieso schreibst du eigentlich keine Geschichten? Und ich dachte: warum eigentlich nicht? Und die erste Geschichte kam bei den Leuten gut an und dann hab ich sie an eine der Seiten geschickt, die damals deutsche Fanfiction veröffentlicht hat. Das war keine große Sache, obwohl es natürlich aufregend und cool war, wenn jemand geschrieben hat, dass er/sie eine Geschichte mochte. Ich hatte auch lange meine eigene Web-Seite, wo ich dann meine Geschichten raufgestellt hab.
Xena Fanfiction war für viele der Anfangspunkt. Man muss sich nur ansehen, wie viele der Schreiberinnen, die heute Lesbian Romance oder Lesbian Fiction schreiben, dort angefangen haben. Ich denke, Fanfiction ist ein guter Einstieg für jede Art von Schreibern, aber besonders für Romance. Man kann mit Charakteren arbeiten, die man selbst nicht erschaffen hat, sich in einer Welt bewegen, die vielen bereits bekannt ist. Man lernt, wie Dinge funktionieren, und dann kann man anfangen, seine eigenen Charaktere und Welten zu erschaffen. Oder man bleibt bei Fanfiction und betreibt Schreiben als Hobby.
Hast du dich dann auch noch mal speziell in das Schreiben von Kurzgeschichten und Romanen bzw. Novellen eingearbeitet?
Es ist ein bisschen beschämend zu sagen, dass ich mich mit dem Handwerk des Schreibens sehr wenig auseinandersetze und -gesetzt habe. Das meiste, was ich darüber weiß, kommt aus dem Studium, wo ich eher die Arbeit anderer interpretiert und kritisiert habe.
Ich habe in meinem ganzen Schreiberleben auch nur einen einzigen Ratgeber gelesen und das war Stephen Kings ‚About Writing‘, was mehr mit King zu tun hatte als mit dem Inhalt. Ich finde sein Buch durchaus hilfreich, wende aber lange nicht alles an, weil ich finde, dass Schreiben nicht für jeden auf die selbe Art und Weise funktioniert. Sicher, es ist ein Handwerk, aber ich finde, dass es auch Kunst ist. Und ich bin darin eher intuitiv als geschult.
Ich wünsche dir viel Erfolg für die nächste Zeit und freue mich darauf, bald wieder etwas von dir zu lesen.
[box] Romane und Kurzgeschichten von Cori Kane:
Cori`s erste veröffentlichte Kurzgeschichte heißt „A Lesson in Magic“ und ist in der Anthologie „Wicked Things – Lesbian Halloween Short Stories“ des Ylva Verlages erschienen. Die Anthologie erhielt in diesem Jahr den Goldie der Golden Crown Literary Society (GCLS). In diesem Jahr erschienen die Kurzgeschichten „Versch(l)ossen“ (als Teil der Ylva Anthologie „Suche Herz mit Namen“) und „Unser erster-letzter Tanz“ (in der Anthologie „Heartbeatclub“ des Größenwahn Verlages). Seit Mai ist die Novelle „The Affair“ (Ylva Verlag) erhältlich. [/box]