Ein Gespräch mit Anna Thur

„Man hat seinen Schreibstil gefunden, wenn man sich in seinem Text zu Hause fühlt“

Ein Gespräch mit Anna Thur

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         Die Journalistin Anna Thur veröffentlicht seit über drei Jahren Erlebnisberichte und Kurzromane. In ihren Geschichtsbänden „Liebe“, „Leben“ und „AugenBlicke“ (siehe Bild) erzählt sie von Begegnungen und Erlebnissen verschiedenster Menschen und bietet dabei Einblicke in facettenreiche Charaktere. Detailreich schildert sie Alltagssituationen und lässt die Leserinnen und Leser so an aufregenden, traurigen und spannenden Momenten teilhaben.

    Auf ihrem Blog finden sich Beiträge über Ereignisse, die sie motivieren oder beeindrucken, ebenso über Bücher, Filme und kreative Menschen. Auf Twitter kann man nachlesen, was sie gerade bewegt (oder auch nervt).

 

 

 

Stell dich doch mal vor, wer bist du, was machst du? Wo findet man dich im Netz? Was gibt es auf deiner Internetseite und deinem Blog zu entdecken?

Erst einmal herzlichen Dank für die Einladung zum Interview. Deine Fragen gefallen mir sehr und Deine Arbeit auch. Dabei haben wir uns ja kennengelernt. Erst auf Twitter und dann beim Schreiben. Also: Ich bin, wie Du geschrieben hast, Journalistin, aber auch Bloggerin und Autorin, halte Twitter für coole moderne Kurzprosa und manchmal auch Rotzprosa – Und da misch ich gerne mit, genauso wie bei tumblr. Ansonsten schreibe ich neben meinem ,Brotschreiben‘ Kurzromane, habe inzwischen drei Bände davon im Selfpublishing veröffentlicht. In meinem Blog geht es um die Dinge, die mich inspirieren: Bücher, Draußen lesen, Charaktere – sei es aus Geschichten oder aus dem wahren Leben.

Seit wann schreibst du?

Puh. So genau kann ich das nicht sagen. In der Grundschule habe ich einen Preis für eine Kurzgeschichte gewonnen. Bis vor ein paar Jahren habe ich immer Tagebuch geschrieben. Damit angefangen habe ich schon sehr früh. Dann gab es noch ein Theaterstück beim Abi und ich hab die Schülerzeitung gemacht. Ich bin dann erst mal zum Journalismus und der PR. Gefühlt schreibe ich erst seit drei Jahren so RICHTIG Prosa.

Warum liebst du es, zu schreiben?

Mein Kopf ist voll mit bunten Bildern und Geschichten. Das war schon immer so und das Schreiben ist eine der wenigen Möglichkeiten, das beruflich rauszulassen.

Seit wann hast du deinen Blog und wie kam es dazu, dass du damit angefangen hast?

Meinen Blog habe ich im Frühjahr 2014 installiert, dann aber sehr unregelmäßig gepostet. Erst im Dezember 2014 habe ich so richtig angefangen zu bloggen. Am Anfang war einfach nur die Idee da, mit dieser Möglichkeit zu veröffentlichen zu spielen. Ich dachte von Anfang an auch daran, dort ein paar Sachen einzustellen, die ich nicht einfach nur so bei Facebook, Twitter oder Tumblr ‚reinhauen‘ will. Ein paar Arbeiten brauchen einfach einen anderen Rahmen. Doch bei mir hat sich kein automatisches „ich poste dann mal was“ eingestellt. Ich brauch da schon eher einen Plan, einen Rahmen, den ich mir selbst gebe. Sonst geht das im Arbeitsalltag unter. Ich wollte das aber nicht halbherzig betreiben und hab es deshalb Ende 2014 ausgebaut, einfach auch, weil es eine schöne Kommunikationsform mit Lesern, Kollegen und Freunden ist.

Warum hast du dich für das Selfpublishing entschieden?

Einer der Gründe war, dass sich die Vertragsbedingungen bei einem Verlag, für den ich sehr viel gemacht habe, so gravierend verändert haben, dass es für mich nicht mehr tragbar war. Schon als ich meinen ersten Vertrag in der Hand hatte, hatte mir ein Agent dringend davon abgeraten und gesagt: Zu diesen Konditionen geht das nicht. Aber ich hab es trotzdem gemacht, weil ich einen Anfang brauchte.

Für Selfpulishing habe ich mich auch wegen der Gestaltungsspielräume entschieden, weil ich Dinge ausprobieren kann und weil schneller etwas publiziert ist – vorher hatte ich für kleine Sachen oft einen Vorlauf von bis zu zwei Jahren. Du hast selbst Einfluss auf das Marketing, kannst etwas unternehmen, um voran zu kommen. Zum Glück kenne ich mich mit Marketing ein wenig aus.

Wie kommst du zu deinen Ideen und wie hältst du sie fest?

Die Ideen kommen eigentlich ständig: aus kleinen Alltagssituationen, Träumen, Begegnungen. Allerdings versiegen sie, wenn ich zu gestresst bin. Oder es gibt auch Phasen in denen ich mich regelrecht leergeschrieben fühle. Dann muss ich auftanken. Das geht am besten unterwegs, gerne auch in der Natur. ZACK sind sie schon wieder da, die Ideen, werden in Notizbücher gekritzelt oder zu meinen Projektheftern gepackt.

Erzähl mir von deinem Entwicklungsprozess eines Textes. Wie entsteht ein Blogeintrag?

Manche Texte basieren auf Ideen, die ich schon vor langer Zeit im Kopf hatte, lange daran recherchiert habe, oder an denen ich gefeilt habe. Andere Blogeinträge entstehen ganz spontan. Ein Mal zum Beispiel war es heftig kalt und das hat mich an die Huski-Augen auf einem Buch erinnert, dass ich sehr mag. Dann habe ich etwas über das Buch gepostet. Oder in einem Zeitungsbeitrag habe ich über den Verkauf einer Insel in Stockholms Schärengarten gelesen und den Makler kontaktiert, weil ich die Vorstellung schon immer superspannend fand, eine eigene Insel zu kaufen. Danach habe ich einen Post daraus gemacht.

Und wie entsteht eine Geschichte?

BAM! So entstehen sie meist. Manchmal sind sie einfach so da und müssen runter geschrieben werden. Manchmal ist erst nur eine Grundstimmung vorhanden, eine Grundidee, die auf einem Zettel oder in einem Notizbuch steht. Oder eine Anfangsszene ist in meinem Kopf. Und irgendwann kommt der Moment und die Geschichte muss so schnell wie möglich festgehalten werden. Das ist dann ein Festbeißen. Danach kommt das sacken lassen und im Anschluss wird gefeilt und überarbeitet. Es ist ganz wichtig, Distanz zu bekommen, deshalb muss zwischen den einzelnen Arbeitsschritten Zeit liegen. Wenigstens drei Tage.

Wer oder was inspiriert dich? Was befeuert deine Kreativität?

Menschen, Bilder, Musik, Natur, auch, wenn ich in Bewegung bin, zum Beispiel auf dem Fahrrad oder auf der Autobahn.

Was bedeutet dir der Austausch mit anderen kreativen Menschen? Und wo findest du diesen Austausch?

Finden kann man den an vielen Stellen. In meinem Freundeskreis sind zum Beispiel viele kreativ. In Communities oder zum Beispiel bei Twitter habe ich andere Kreative kennengelernt. Das ist sehr wichtig für mich und wenn ich das richtig wahrnehme, auch für mein Umfeld. Dieser Austausch bringt dich weiter. Du formulierst Ideen, schärfst sie dadurch und bekommst ein Feedback. Allerdings hat das Grenzen. Viele Dinge musst du mit dir selbst ausmachen, zum Beispiel wenn du dein Schreiben verändern willst.

Feilst du gerade an deinem Schreibstil? Hast du neue Textformen, die du ausprobierst, eine besondere Kreativmethode oder liest du gerade zum Beispiel einen bestimmten Schreibratgeber?

Ich schwöre auf das Autorenhandbuch von Sandra Uschtrin, da stehen alle Fakten von Adressen bis Vertragsinhalten drin. Ich hab von Duden ein Buch über Spannung. Und ich hab die „Poetik“ von Aristoteles – der hat vor zigtausend Jahren schon alles gesagt, was nötig war. Das war es mit mir und den Ratgebern.

Seminare, Workshops bringen mir viel mehr. Der Austausch mit anderen. Das konkrete Arbeiten am Text. Und da arbeite ich tatsächlich gerade sehr daran so zu klingen, wie eine Geschichte in meinem Kopf klingt. Die ersten Sachen habe ich geschrieben, weil ich was gelesen habe und dachte: Das kannst Du auch. Und die sind gut gelaufen. Aber jetzt, als Anna Thur, lese ich diese Texte und will, dass sie anders klingen, mehr nach mir. Dieser Prozess ist nicht einfach und geht nur mit schreiben, schreiben, schreiben plus ausprobieren, lesen und zuhören. Vor Kurzem habe ich zum Beispiel einer Freundin einen Text gegeben, der mal ganz anders war. Er war drei Seiten lang. Bei ihr hat er so viel ausgelöst, dass sie mir mit einem fünf Seiten langen Brief geantwortet hat. Was ich darin gelesen habe, hat mir gezeigt, dass der Text richtig war. An der Stelle kann ich jetzt weiter machen.

Daneben versuche ich mich an neuen Textformen.

Hast du Zeiten, in denen es mit dem Schreiben nicht recht klappt und falls ja, hast du eine Methode, dich selbst motivieren zu können?

Oh ja, ich hab immer wieder Schreibblockaden. Ich weiß aber, dass das normal ist und ich erst wieder reinkommen muss. Die einzige Methode, die mir dabei hilft ist Schreiben: anfangen, heulen, zicken, sich mistig fühlen, weiterschreiben. Ist leider so.

Woran kann man, deiner Erfahrung nach, erkennen, dass man seinen eigenen Schreibstil gefunden hat?

Wenn du dich in deinem Text zu Hause fühlst und selber weißt, dass du angekommen bist. Man merkt das selber sehr deutlich. Du liest dann deinen eigenen Text auch einfach gerne. Vorher nerven Stellen oder der Klang der Sprache einer Geschichte.

Wenn dir jemand erzählt, er würde sich gern dem Schreiben widmen und er würde sich wünschen, dass seine Texte von Vielen gelesen werden, was würdest du raten?

Wenn deine Texte von Vielen gelesen werden sollen, müssen sie sehr gut lesbar und professionell umgesetzt sein. Gleichzeitig müssen sie das gewisse Etwas haben. Das heißt, wenn dein Text noch nicht so weit ist, solltest du an ihm arbeiten und dich ebenfalls weiterentwickeln.

Freust du dich über Feedback zu deinen Texten und wie gehst du damit um?

Feedback ist eine tolle Sache. Natürlich tut das auch manchmal weh, gerade wenn man sich eingestehen muss, dass man es selbst eigentlich schon weiß und schlimmer noch, im Augenblick keine Lösung hat. Und man muss natürlich aufpassen und sich fragen, ob die Kritik immer konstruktiv ist, ob du es vielleicht trotzdem so lassen möchtest. Das ist ganz unterschiedlich und muss man von Fall zu Fall sehen.

Positives Feedback ist der Wahnsinn und wenn dir Leute ganz intime Dinge schreiben, zum Beispiel was gerade mit ihrer Ehe passiert und warum deine Geschichten ein Trost sind. Mich bewegen solche Momente sehr und da entwickeln sich mitunter sehr schöne Gespräche daraus.

Was sind deine Pläne für die kommende Zeit?

Die neuen Textformen werden mich noch eine Weile beschäftigen. Ich habe bisher ja vor allem Kurzromane und Truestories veröffentlicht, auf meinem Blog und in Social Media mit Mikrogeschichten und Mikroromanen gespielt. Das entwickle ich gerade weiter und bin gespannt, wo das hinführt. Außerdem arbeite ich am nächsten Kurzroman-Band.

Vielen Dank für das interessante Gespräch.