Über Handgeschriebenes und die Kraft schöner Erinnerungen

Interview mit Jennifer Düing

Jennifer Düing lädt durch ihre Worte zum Innehalten ein. Auf Twitter hält sie Alltagsmomente mit oft kurzen Beschreibungen fest, die sie in ihre eigene poetische und sanfte Gedankenwelt verwebt. Als Postkartenautorin verschickt sie Gedichte und Kürzestgeschichten, damit es in den Briefkästen wieder bunter wird.

Ich freue mich sehr, dass du mir ein wenig über dich verraten magst. Du hast vor knapp zwei Jahren deine Idee in die Tat umgesetzt und wurdest Postkartenautorin. Wie kam es dazu?

Schon lange hegte ich den Wunsch Postkartenautorin zu sein. Ich wusste nicht wie das aussehen würde. Bis ich im schlimmen Liebeskummer einfach meine alten Gedichte hervor kramte und anfing neue zu schreiben. So war der große Kummer auch großes Glück.

Wann kommen dir die Ideen für deine Gedichte und Geschichten?

Die Gedichte und Kürzestgeschichten schreibe ich in Cafés, in der Sauna, im Zug. Immer unterwegs. Manchmal trage ich die Idee für einen Text einige Tage oder gar Wochen mit mir rum, bis ich ihn einfach runter schreibe in wenigen Minuten. Das sind mir die liebsten.

Was waren bisher deine schönsten Momente als Postkartenautorin?

Die schönsten Momente sind die, wenn die Postkarten schöne Erinnerungen wecken. Einmal erzählte mir jemand, nachdem sie ein Gedicht gelesen hatte, wie sie im blauen See baden war, schwerelos fühlte sie sich. Das war einzigartig für sie. Dabei leuchteten ihre Augen.

Was bedeuten dir Postkarten und Briefe?

Sie sind für mich eine Form der Kommunikation, die mehr nach innen geht. Durch die Hand geschrieben empfinde ich sie als persönlicher. Meine beste Freundin und ich wohnen mittlerweile am jeweils anderen Ende von Deutschland. Leider schaffen wir es kaum uns zu schreiben. Daher schreiben wir uns Briefe über die Themen, die wir diskutieren wollen. Unser letztes Thema war Glück und Glücklichsein. Ich freue mich immer, wenn ich wieder einen Brief von ihr in der Post finde. Und genauso geht es mir mit Postkarten.

Erzählt die Handschrift eines Menschen etwas über ihn?

Vor einiger Zeit schrieb ich auf Twitter: Unsere Handschrift verrät etwas über uns. Nur was, das ist die Frage. Eine poetische.  Wenn ich einen handschriftlichen Text sehe, stelle ich mir gleich die Person dazu vor. Das muss nicht konkret sein. Dennoch lässt es zwischen SchreiberIn und LeserIn eine Nähe entstehen und gibt einen kleinen Einblick in die Welt. Wenn auch nur gefühlt. 

Etwas Neues zu wagen braucht Mut und Kraft, manches hat einen langen Vorlauf. Wie empfindest du diesen Weg zu einem bestimmten Ziel?

Ich habe gelernt, dass es wichtig ist anzufangen. Es muss nicht perfekt sein, alles kann sich entwickeln. Viel wichtiger ist es, sich ans Herz zu fassen und einfach zu machen. Wenn man nicht anfängt, verlieren sich vielleicht sogar die Ziele und Wünsche. Und darum wäre es doch sehr schade.

Jennifer findest du auf Facebook: https://www.facebook.com/nachtblau/photos und Instagram: https://www.instagram.com/postkartenautorin/ sowie auf Twitter als @nachtblau und @goldmomente.

Bildrechte: Jennifer Düing

Von einem Einkaufszettel im Park und seinen Geschichten

 

 

Eine Geschichte entsteht manchmal nur durch eine Gegebenheit, durch einen bestimmten Moment. So war es auch mit „Letzte Zutat Liebe“.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ich mag die Einkaufszettel von anderen. Wenn ich einen im Einkaufswagen finde, schaue ich ihn mir an, betrachte die Art des Papiers, fahre die Handschrift mit der Fingerspitze entlang und studiere die Liste darauf. Ich stelle mir vor, wie die Verfasserin oder der Verfasser sie geschrieben hat und wofür. Manche Zettel sind sehr schlicht gehalten, einige detailliert, fast alle sind mit Kugelschreiber verfasst und oft auf kleinen weißen Notizzetteln aus einem Block. Ich lege die Zettel immer zurück, vielleicht schaut sie sich jemand anderes ja genauso gerne an wie ich.
Wenn ich spazieren gehen, schaue ich meist auf den Boden, auch wenn ich die Bäume und die Wolken liebe, halte ich gern Ausschau nach Steinen. Im März 2016 ging ich durch einen kleinen Park in der Nähe meiner Wohnung und sah etwas Weißes aufblitzen. Es war ein Zettel. Ich betrachtete ihn genauer, es war ein Einkaufszettel. Dafür, dass er auf der Erde gelegen hatte, war er kaum verschmutzt. Ich setzte mich in die Sonne und betrachtete ihn lange. Ich fragte mich, ob ihm jemand aus der Tasche gefallen war? Ich fand den Fundort ungewöhnlich, im Park zückt man selten seine Geldbörse. Der Knick in der Mitte war stark ausgeprägt, so als habe das Papier etwas länger in dieser Position verharrt. Vielleicht hatte ihn jemand eine Zeit lang in der Hosentasche?
Es war schön, was dieser Zettel alles in mir auslöste und zu welchen Fragen er mich verleitete. Die Zutaten schienen für ein umfangreiches Gericht zu sein, vielleicht sogar geplant für einen Besuch oder eine kleine Feier. Mir gefiel die Handschrift, besonders das große „K“ und das „L“, sie waren wie kleine Kunstwerke. Ich mochte den „Filzkleber“, der inmitten der Lebensmittel auftauchte, er tanzte so herrlich aus der Reihe, zudem schien er, so wie das Wort „Bananen“, von jemand anderem dazu geschrieben worden zu sein.
Ich behielt den Zettel und in den darauffolgenden Tagen schweiften meine Gedanken immer wieder ab. Hätte ich die Möglichkeit gehabt, der Verfasserin oder dem Verfasser ein paar Fragen zu stellen, hätte ich sie gerne genutzt. Wer weiß, was für eine Geschichte ich zu diesem Zettel erfahren hätte? Was mir persönlich nicht gelang, ließ ich meine damalige Hauptfigur, die neugierige Astronautin Laura erleben. Sie fand einen Zettel, folgte seiner Spur und traf auf die Köchin June. So entstand nach und nach ihre gemeinsame Geschichte. Was scheinbare Kleinigkeiten auslösen können, fasziniert mich immer wieder, ich denke, dass es sich lohnt, ihnen Aufmerksamkeit zu schenken.

Hier geht es zu „Letzte Zutat Liebe“: https://ylva-verlag.de/buecher/letzte-zutat-liebe/

Bildrechte: (1) K. Salamon; (2) I. Steg.