Spätabends
Aus dem Notizblock, der eher ein Notizbuch sein möchte, einer die sich selber als «vom Leben verarscht» bezeichnen würde oder Spätabends
Eine Geschichte von Christian Eberli
Wie spät? Wie spät? Wie spät ist es? Die Zeit. Die Zeit, die Zeit. Gleich ist es so weit, gleich kommt das Tier und ich finde meine Zeit nicht. Seid doch mal still, mein Kopf. Es ist spätabends. Auf der Straße haben sich die Blätter erhoben. Es ist dunkel geworden. Kommt drauf an, wie spät ist’s jetzt? Der Fuchs. Wo ist der Fuchs? Fenster auf: „Grüß Gott, haben Sie einen Fuchs gesehen?“ Nachts kann man das ja machen, mal fragen, da sagt ja keiner was. Nachts. Also spät, spätabends. Dann wenn ich mich leise, leise aus dem Haus schleiche, die Treppe runter –Achtung Knarren– aus dem Haus in die Dunkelheit hinaus, an dem Buchladen vorbei, bedacht steht‘s alleine zu bleiben mit der nächtlichen Aufmerksamkeit. Da seh ich Frau Nachbarin am Rand entlang gehen, dieses nervige Weib, immer so herrlich nervlich interessiert an mir. Hallo! Frau Nachbarin! Pfff!
Ich kam also auf die Straße und da, da, da als niemand hinsah! Thihihi, ein Fuchs! Ein Fuchs mit Feder und Hut und Stock, so dämlich sah der aus! Wartete beim Streifen und ging erst als einer angefahren kam. Quiiietsch, bumm! Wieso? Wieso nur hat er das getan? Ich weine bitterlich. Das Tier lief einfach vor das nächste Auto, bevor ich es erwischen konnte.
Ich merke, er kommt wieder, so kommt er jetzt jede Nacht. Nächstes Mal, da erwisch ich ihn. Doch warte. Hör ich da was? Seid doch mal still, mein Kopf. Da ist das Tier, muss gehen, es ist Zeit geworden, ist schon spätabends?
Ich habe hingeschaut, spätabends. Kam ein einziger Mensch, mit dem wollte ich nichts, machte kehrt. Der war mir eh seltsam, ein Weibchen glaube ich, so herrlich nervlich interessiert an mir. Ich ging wie jede Nacht um Mitternacht über die Straße, dieses nervige Weib, ich merke, sie kommt wieder, so kommt sie jetzt jede Nacht.
Ich bin die Eule, die das Ganze von oben gesehen. Ich blieb bis das Tier und der Mensch beide gingen, spätabends.
Der Fuchs kam also wie jede Nacht die Gasse entlang. Hinter der Scheune bezog er Mantel und Hut, bei der Kirche den Stock, wie jede Nacht. Dann kam diese rote Fischfrau aus dem Haus, pirschte am Buchladen vorbei. Schnurstracks lief sie auf den Fuchs zu, wollte ihn am buschigen Schwanze packen und ihn zu sich rupfen, sich seiner bemächtigen, ihn rauben. Knapp entwischt entgeht ihr das Tier, so wie jede Nacht, zu lange hingeschaut. Die Blätter die tanzten im Wind, sie legten sich wieder unter das Schwarz der Nacht und auf einmal wurden die kahlen Bäume zur Weltenallee. Doch sie wird wiederkommen. Ich wartete bis es wieder ruhig war und verschwand, so wie jede Nacht.
So gehe ich jetzt jede Nacht hin, mir das Tier ansehen, das um punkt zwölf Mitternacht über die Straßenkreuzung Ecke Rathausplatz geht.
Christian erhielt die Stichworte Notizblock, Eule und Buchladen von mir.
Bildrechte: Christian Eberli
[box type=”bio”] Weitere Texte des Autors gibt es auf seinem Blog „Eulenkönig“, zudem findet man ihn auf Facebook und als @Chatzefuetter auf Twitter.
Zum Blog-Interview hier entlang.
[/box]