Vom (Schreiben über das) Küssen

„Ein Kuss heißt: Ich lasse dich in mein Leben. Ich vertraue dir und schütze dich.“

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 – M.E. Lee Jonas

Was ist das Schönste daran, eine Kussszene zu schreiben?

Ich bin dafür bekannt, solche Szenen diplomatisch zu umschreiben. Für mich spielt das Alter der Protagonisten eine große Rolle. Rede ich mit meiner 14-jährigen Tochter über das Küssen, reagiert sie wie ein Teenager. Sie errötet. In diesem Alter hat dies also noch eine andere Bedeutung. Meine Protagonisten sind vierzig Jahre und älter. Da gibt es plötzlich Bedenken, basierend auf früheren Erfahrungen und Verletzungen. Die Funktion eines Kusses verändert sich. Das schönste Gefühl, das ich in einer Geschichte ausdrücken kann: jeder aufrichtige Kampf lohnt sich. Ein Kuss bezeugt dann Hoffnung, Vertrauen und Dankbarkeit.

Was ist das Schwierigste daran, eine Kussszene auf das Papier zu bringen?

Ich lasse meine Erfahrungen, Werte und Bedeutungen mit einfließen. Es ist also eine Art »Entblößung« von Intimität. Ich versuche zu beschreiben, wie sich die Protagonisten wirklich fühlen. Ich bin keine Liebesroman-Autorin. Ich schreibe Dramedy und Urban-Fantasy. Das heißt, dass solch einer Kussszene viel Leid vorausgegangen ist und die Protagonisten sich dem Gefühl, dem sie sich lange Zeit verschlossen haben, stellen müssen. Das ist sehr schwierig, weil ich diese Empfindungen dann ebenso zulassen muss.

Welcher ist dein Lieblingssatz oder Absatz aus einer deiner geschriebenen Kussszenen und warum ist es dieser?

Sagen wir bedeutungsvollster Moment. In meinem Roman »MOSCHUSFIEBER #soulmate« durchleben die Protagonisten die tragische Seite der »wahren Liebe«. Beide in Ehen gefangen, die nur noch auf dem Papier bestehen, wehren sie sich gegen die Gefühle. Diese emotionale Verzweiflung verarbeiten die Protagonisten auf unterschiedliche Weise. Getrennt voneinander versuchen sie diese zu ignorieren oder zu verdrängen. Erst als die Protagonistin den Entschluss fasst, in eine andere Stadt zu ziehen, um ein neues Leben ohne ihn zu beginnen, kann er sich den Gefühlen endgültig stellen. Es ist eine Geschichte, die die Schattenseite einer Liebe zwischen gesellschaftlichen Verpflichtungen und großen, verzweifelten Emotionen erzählt. Die Schwierigkeit liegt immer darin, scheinbar einfachen Dingen wieder Bedeutung zu verschaffen.

»Es ist alles kompliziert … Ich war selbst überfordert und … Ich kann nicht …«, flüsterte er und umschlang meinen Nacken mit seinen weichen Händen.

Ich drehte mich weg und wich ein Stück zurück.

»Schluss mit den Spielchen. Du kannst nicht, und trotzdem soll ich als Lückenbüßer herhalten?«, blaffte ich mit bebender Stimme, worauf er auf mich zukam und mich küsste.

Ich wehrte mich ein paar Sekunden, bevor ich mich meinen Gefühlen hingab, die sich trotz der Ereignisse nicht verändert hatten.

»Ich kann nicht aufhören, dich zu lieben …«

(© M.E. Lee Jonas »MOSCHUSFIEBER #soulmate«)

Was bedeutet dir ein Kuss?

Ein Kuss heißt: Ich lasse dich in mein Leben. Ich vertraue dir und schütze dich. Bei meiner Tochter bedeutet er zudem: Keine Angst! Ich bin da! Du machst das toll! In der Öffentlichkeit heißt dies: Danke.

Wird dem ersten Kuss in Geschichten und Filmen eher zu viel oder zu wenig Bedeutung beigemessen?

Ich habe den Roman »Moschusfieber #soulmate« auch als Drehbuch umgeschrieben. Die Geschichte habe ich nicht verändert, den Ablauf jedoch für die Regie ändern müssen. Das Faszinierende war, dass es keine Rolle spielt, welchen Weg man wählt, die Gefühle ändern sich nicht. Jeder Leser oder Betrachter hat jedoch ein anderes Empfinden über die Wichtigkeit eines Kusses, basierend auf eigenen Erfahrungen.

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„Ein Kuss bedeutet für mich die Abwesenheit von Zeit und Raum.“

– Jess Tartas

Was ist das Schönste daran, eine Kussszene zu schreiben?

Die Ruhe, die es braucht, um mich einzufühlen. Dass es notwendig ist, innezuhalten, wenn ich beschreiben will, was jemand spürt.

Was ist das Schwierigste daran, eine Kussszene auf das Papier zu bringen?

Schreiben bei geschlossenen Augen ist nicht immer so leicht.

Welcher ist dein Lieblingssatz oder Absatz aus einer deiner geschriebenen Kussszenen und warum ist es dieser?

Ich habe weder einen Lieblingssatz noch -absatz, aber ich erfinde einen, der mir jetzt gefällt.

Im Freibad. Wenn du kurz davor bist, dein Calippo-Eis aufgeschleckt zu haben und schon die Pappe schmecken kannst, dann ist der beste Moment für einen Kuss. Du siehst dich um und entdeckst den Typen, der immer da ist, immer bereit. Du weißt es, du hast ihn schon ein halbes dutzendmal geküsst. Du hängst dir dein Handtuch um die Schultern und gehst über den trockenen gelbgrünen Rasen. Die Papphülse steckst du dir in den Mund, saugst den letzten Rest klebriger Flüssigkeit heraus und wirfst die Verpackung in den Müll. Du und er, ihr kennt euch ja, es braucht nicht viel, um klar zu machen was du jetzt willst. Du hältst seine Hand, er umfasst deinen Kopf und führt seine Stirn an deine. Eure Nasen berühren sich, du wendest dich ab, er behaucht deine Wange, leckt dir deinen Hals und saugt sich fest. Du siehst den Himmel, blau und ewig, und mit einer kleinen Drehung schiebst du sein Gesicht vor deines, damit du deine Lippen auf seine legen und ihn am Beckenrand küssen kannst.

Mir gefällt der Absatz, weil er eine Erinnerung ist, die an der einen oder anderen Stelle für manche wahr sein könnte.

Was bedeutet dir ein Kuss?

Ein Kuss bedeutet für mich die Abwesenheit von Zeit und Raum. Ein Kuss ermöglicht es mir, eine Verbindung einzugehen, die nur in diesem Moment in dieser Handlung besteht. Und niemand kann dabei reden, das empfinde ich auch als wichtig.

Wird dem ersten Kuss in Geschichten und Filmen eher zu viel, oder zu wenig Bedeutung beigemessen?

Ich denke, es liegt ganz daran, wie viel man selbst dort hineinlegen möchte und wie empfänglich man gerade ist. So ein erster Kuss kann überraschen oder erlösen, angenommen oder abgelehnt werden. So ist es aber auch mit allen weiteren Küssen, denke ich. Die Herausforderung ist es, die nächsten Küsse nicht egal werden zu lassen.

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Bildrechte: - Foto Nr. 3: Linsensüppchen 54 / linsensueppchen54.de 
- Foto Nr. 4: Anja Müller /
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Vom (Schreiben über das) Küssen

„Es gibt keinen wichtigeren und schöneren Ausdruck für Liebe.“

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– Markus Jäger

Was ist das Schönste daran, eine Kussszene zu schreiben?

Die emotionale Verbundenheit zweier literarischer Figuren nachvollziehbar zu erzählen funktioniert als großes Ganzes über die Handlung ihrer gemeinsamen Geschichte, wenn aber die Gefühle in einer mitreißenden Momentaufnahme kulminieren sollen, dann am Besten in und mit einem Kuss. Wobei dieser Kuss zur Spannungssteigerung auch nur angedeutet werden kann. Wichtigste Motivation dabei ist und bleibt für mich die glaubwürdige Zartheit.

Was ist das Schwierigste daran, eine Kussszene auf das Papier zu bringen?

Die Frage, wie man die Schallmauer der simplen Beschreibung zweier aufeinandertreffender Münder durchbricht. Welche Gefühle spielen sich in den Figuren ab? Gehen diese Emotionen miteinander d’accord? Wie stark ist die Erleichterung der sich Küssenden? Sind die Augen geschlossen? Wohin kann bzw. soll der Kuss führen? Vor welchem narrativen Kontext geschieht der Kuss?

Welcher ist dein Lieblingssatz oder Absatz aus einer deiner geschriebenen Kussszenen und warum ist es dieser?

Ich habe eine (noch unveröffentlichte) Erzählung über eine schwule Liebesgeschichte geschrieben, in der einer der beiden Protagonisten nicht geoutet ist. Titel dieser Geschichte ist „Der Kuss als Wort“. Für mich bekommt der Kuss hier eine politische Bedeutung. Denn wer den Menschen, den er/sie liebt, in der Öffentlichkeit nicht zu küssen wagt, wird immer wieder zur Frage der Glaubwürdigkeit seiner/ihrer Liebe gezwungen. Ein aufreibender Konflikt, an dem die Liebe auch heut noch viel zu oft scheitert. Deshalb ist mir diese Erzählung besonders wichtig.

„Als sie nur Tage später einen öden grauen Gipfel im Schutz der dunklen Nacht erklommen, fiel ihr erstes Wort der Wahrheit über Schluchten in die Welt. Allein zu zweit. Wo niemand sah, was niemand sehen durfte. Erst dann wand sich der Weg nach unten und sie marschierten wieder heim. Denn ein Kuss, den andere sahen, ließ die Welt erkennen, was für S. die Welt nichts anging.“

Was bedeutet dir ein Kuss?

Es gibt keinen wichtigeren und schöneren Ausdruck für Liebe. Wenn wir mit einem Kuss nicht in der Lage sind unser Gefühl zu artikulieren, ist die Glaubwürdigkeit unseres Gefühls von vornherein zu hinterfragen. Wenn wir mit einem Kuss der Liebe authentisch Ausdruck verleihen, ist die Liebe nackt und echt. So wie unser Dasein in diesem Moment nackt und echt ist.

Wird dem ersten Kuss in Geschichten und Filmen eher zu viel, oder zu wenig Bedeutung beigemessen?

Das kommt auf die Geschichte beziehungsweise den Film an. Solange die oben erwähnten Impulse beim literarischen Küssen inkludiert sind, kann meines Erachtens nicht genug geküsst werden. Wenn allerdings nur das eine oder andere Hollywood Klischee vermarktet werden soll, wird man allzu schnell satt.

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„Ich würde gern viele Menschen küssen. Damit meine ich Küsse der Begeisterung und Zuneigungsbekenntnis. Ich verteile auch Handküsse.“

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– Julia von Rein-Hrubesch

Was ist das Schönste daran, eine Kussszene zu schreiben?

Das Kribbeln. Meist ist es so, dass man auf einen Kuss hinschreibt. Man fiebert ihm also entgegen. Wobei ich persönlich selten küssen lasse. Wenn man sich küsst, ist die intime Berührung passiert, der Zauber des Wartens und Erwartens vorüber. Ich leide lieber an der Sehnsucht.

Was ist das Schwierigste daran, eine Kussszene auf das Papier zu bringen?

Den Zauber innezuhalten. Beim Küssen berühren sich Lippen, oder Lippen berühren Haut. Der Prozess selbst gibt also nicht viel her, um den Leser fiebern zu lassen. Man sollte die Szene so gestalten, dass das Drumherum die eigentliche Magie ist. Ein scheues Lächeln gefällt mir da oder gerötete Wangen. Ganz wichtig ist auch der Ort. Er sagt was über die Küssenden aus. Eigentlich stehen Autor*in viele Möglichkeiten zur Verfügung, man kann spielen. Es geht darum, es gut zu machen. Eine Kussszene neben einer Mülltonne zum Beispiel, bei dem es dem Leser heiß wird, zeugt von guter Kunst.

Welcher ist dein Lieblingssatz oder Absatz aus einer deiner geschriebenen Kussszenen und warum ist es dieser?

Da muss ich erst mal suchen. Ich geize mit Küssen in meinen Geschichten. Es geht ja meist um Suchende, und Küsse findet man nicht so leicht.

Und dann macht er einen Schritt auf mich zu, und noch einen, und ich, weil ich mal wieder nichts raffe, mache einen Schritt zurück und noch einen.
Bis ich mit dem Rücken an der Hallenwand stehe, und Tony direkt vor mir. Er stellt seine Tasche auf den Boden und stützt den Arm an der Mauer ab. „Wenn du noch einen Schritt machen willst, muss du dich schon durch die Steine bohren“, sagt er und grinst sein einzigartiges, schiefes Grinsen.
„Ich …“, mache ich, weil ich zu mehr nicht in der Lage bin.

„Willst du das?“, fragt Tony und grinst mich an. „Willst du noch einen Schritt machen? Dann nehme ich meinen Arm weg. Nur ein Wort, Fee.“

Ich schlucke. So langsam fällt bei mir der Groschen, auch wenn das nicht bedeutet, dass ich was Sinnvolles tun oder sagen kann. Ich schaffe es grad noch, mit dem Kopf zu schütteln.

Und dann …

… küsst er mich.

Es ist diese Szene, weil es die einzige von mir ist, in der sich geküsst wird. Aber ich mag sie auch so sehr.

Was bedeutet dir ein Kuss?

Uff, es wird nicht leichter.

Ein Kuss bedeutete mir viel. Ich würde gern viele Menschen küssen. Damit meine ich Küsse der Begeisterung und Zuneigungsbekenntnis. Ich verteile auch Handküsse. Es gibt ja so viele verschiedene Arten von Küssen, deswegen muss man da vorsichtig sein, wem man welche gibt.

Wird dem ersten Kuss in Geschichten und Filmen eher zu viel, oder zu wenig Bedeutung beigemessen?

Mit dem Küssen wird viel Schindluder getrieben! Vor allem finde ich die ersten Küsse in Filmen und Serien immer ganz schlimm, da fühle ich mich persönlich beleidigt. Jeder wartet drauf, dass sich endlich geküsst wird, und dann werden Lippen aufeinandergepresst und Köpfe hin und hergeworfen. Das finde ich gemein. Der erste Kuss ist Sinnlichkeit, oder? Er trägt schon die Sexualität in sich, doch die kommt erst später. Außer, es ist ein One-Night-Stand. Meine Güte, das sind echt schwere Fragen, haha.

Ich kann keine Figur mehr ernst nehmen, die beim ersten Kuss Zunge und Speichel preisgibt. Küsse sind heilig. Und das zeigt, was für ein mächtiges Instrument sie sind. Da kann man viel falsch machen. In den Büchern, die ich lese, wird wenig geküsst. Mann, das klingt ja traurig. Mitgefiebert hab ich echt bei Herr Lehmann, ich wollte so sehr, dass er die schöne Köchin küsst. Und das ist schon lange her. Teenieküsse werden meist verhauen, ich finde, das kann Stephen King gut. Teenager küssen magisch, da muss man sehr aufpassen, dass man es richtig einfängt. Und ich finde, dass Küsse in Genres, die nicht zur Liebe gehören, zu wenig vorkommen. Das werde ich selbst in Zukunft mal ändern 🙂 Die Frage bleibt auch, warum das so ist. Ich schätze, weil man da Angst vor dem Klischee hat: Oh, jetzt kommt gleich die Romantikkeule.

Bildrechte: – Foto Nr. 1: Linsensüppchen 54 / linsensueppchen54.de
– Foto Nr. 2: Anja Müller / www.anja-mueller-fotografie.de