Das kleine Kunstfoyer präsentiert: (Kunstleben mit) Teena Leitow

Küchengeschichten III oder: Du siehst so aus, wie ich mich fühle

~ Vom Festhalten schöner Momente ~

„Das Festhalten von besonderen Momenten ist schwierig. Wenn man sie dokumentieren möchte, zum Beispiel fotografisch, ist der besondere Moment ja schon vorbei, weil Du dann nicht mehr voll und ganz darin bist… Der Wunsch, etwas festzuhalten verändert bereits die Situation. Das ganz Besondere ist eigentlich das, was nicht festgehalten werden will. Besondere Begegnungen, Erfahrungen, Erlebnisse – flüchtig und daher so besonders. Erinnerung und Auseinandersetzung in künstlerischer Form (schriftlich oder bildlich) sind ja meist ein ‚Danach‘. Ein Reflektieren, Interpretieren besonderer Momente und Gefühle.“

Wie kann man aus deiner Sicht den gegenwärtigen Augenblick würdigen und ihn ganz und gar auskosten?

„Im Jetzt sein. Klingt einfach, ist jedoch eine Kunst. Mir gelingt das besonders gut in der Natur – im Wald, am Meer oder im gARten und im künstlerischen Schaffensprozess.“

„Die Verbindung von Kunst und Leben ist mir sehr wichtig. Kunst eröffnet neue Perspektiven. Man muss ein Werk nicht zwingend intellektuell verstehen, man kann es auch intuitiv erfassen. Spricht das Werk zu Dir? Fühlst Du dich angezogen? Oder vielleicht auch abgestoßen? Wenn Kunst etwas Besonderes macht mit Dir, lohnt es sich, sich damit intensiver zu beschäftigen …“

Kunst, die meine Phantasie anregt, begeistert mich und ich möchte selbst auch mit meiner Kunst Phantasie und Liebe zum Leben beflügeln.

Foto aus dem Atelier.

„Unikate, Echtes, liebe ich. Von Menschen mit Hand und Liebe Gemachtes. Dafür möchte ich auch den Betrachter begeistern. Kunst gehört für mich nicht hinter verschlossene Türen oder in Tresore. Kunst gehört in den Alltag und gerne auch in die Küche. Ein Ort, wo sich die meisten Menschen gern und viel aufhalten. Ich wünsche mir, dass viel mehr Menschen ihren Sinn für das Besondere, Einzigartige und Individuelle entwickeln, in Kunst investieren und damit lebende KünstlerInnen unterstützen und nicht massenhaft, billig reproduzierte Drucke kaufen.“

Grüße aus der Küche

Zitat v. Tinguely

// Kühlschrank-Foto


~ Kunst und Leben l(i)eben ~

Kunst ist für mich geistige Nahrung. Das Erleben oder auch Träume künstlerisch zu verarbeiten, empfinde ich als sehr heilsam. Im Beuyschen Sinne möchte ich „unmögliche Gärten“ schaffen. Meine Serien Die Wundersamen und You and me in Octopussys garden in da sea stehen dafür vielleicht exemplarisch.

Da garden of Love and Peace
Die Wundersamen III

~

In meinem atelier acht gARTen gibt es alte Bäume, Wildpflanzen, wildes Gemüse, Pilze, besondere Fundstücke vom Meer und aus dem Wald, kleine Objekte, Skulpturen und Plätze zum Verweilen. Auch hier verbinden sich Kunst und Leben.

Die Natur ist meine liebste Inspirationsquelle. Die Zeiten am Meer im Wald und im gARTen genieße ich ganz besonders. Meerblau ist meine Farbe und waldgrün und und und. Jedes Mal sind die Farben dort anders. Sie verändern sich je nach Jahreszeit, Witterung, Licht … Ich liebe das. Wann immer möglich, bin ich dort. Da vergesse ich die Zeit, bin im flow, finde im Wald Pilze und am Meer Meeresgemüse – nebenbei sammle ich Müll und finde immer wieder Schätze, zum Beispiel besondere Scherben, die ich später in meinen Assemblagen verarbeite …

… Meine Farben finden. Dazu gibt es ein Interview von 2016:

Find dine farver

Der Aspekt der Umweltverträglichkeit ist mir auch in meiner künstlerischen Arbeit sehr wichtig. Früher (im Studium) habe ich auch mit Ölfarben gearbeitet, danach sehr lange mit Acrylfarben, seit 2016 sind Kreidefarben meine Favoriten. Sie sind sehr umweltfreundlich, gut zu verarbeiten und stinken überhaupt nicht … Für mein Blau mische ich unterschiedliche Farbtöne. Im Moment habe ich wohl parallel meine Blaue und Altrosa-Phase.

Wie entstehen deine Collagen? Wo findest du die Bestandteile dafür? Was macht die Arbeit daran besonders?

„In meinem Atelier habe ich einen großen Fundus an Materialien. In der Natur, unterwegs auf Reisen, auf Flohmärkten, in Antiquariaten … oder auch im Alltag finde ich immer wieder Dinge, die mich inspirieren. Häufig bekomme ich auch Material geschenkt, es gibt sehr freundliche Das kannst Du doch bestimmt gebrauchen-Sammler und Freunde. So kam ich zum Beispiel zu einer riesigen Sammlung alter Oblaten, Glanz-, bzw. Poesiebildern. Der nachhaltige Upcycling-Aspekt ist mir dabei sehr wichtig.

Häufig denke ich: Die Dinge finden mich zum richtigen Zeitpunkt … Manchmal verarbeite ich sie direkt, doch meistens sammle ich sie und sortiere nach Themen. Schräges, Humorvolles, Unsinn begleitet mich, so lange ich denken kann. Dazu kommt mein besonderes Interesse für die Natur, Wald, Meer, Früchte, Pflanzen, Pilze …“

Sammelboxen

Was macht dich glücklich? Was sind für dich schöne Momente?

„In Verbindung mit der Natur sein, künstlerisch tätig zu sein, Liebe und Frieden zu spüren im Austausch mit anderen Menschen – besondere Begegnungen, das macht mich glücklich: Im gARTen oder Atelier arbeiten, am Meer sein, im Meer schwimmen, im Wald sein, Pilze sammeln, Ausstellungen besuchen, eintauchen in die Kunst inspirierender KünstlerInnen, Lesen, Musik, Reisen, Freunde treffen, in meiner Pilzküche experimentieren …“

Drinnen – Atelier und Workshop

Zurzeit bereite ich mehrere Ausstellungen vor: eine Ausstellung in Salzhausen im Rahmen des Kultursommers des Landkreises Harburg, der Titel ist „Wundersame Begegnungen“. Desweiteren arbeite ich an 2 Werken für die Teilnahme an einer Ausstellung im Kiekeberg Museum. Und es gibt noch eine weitere Ausstellungsanfrage, da muss ich jedoch erst einmal die Möglichkeiten vor Ort klären.

Meine Arbeiten entstehen in meinem Atelier, wenn das Wetter es zulässt, arbeite ich auch gern draußen, zum Beispiel an der alten Tischlerwerkbank, die ich von meinem Opa geerbt habe.

Täglich arbeite ich ca. 4 bis 8 Stunden im Atelier, in intensiven Schaffensphasen ist es auch deutlich mehr. Da gibt es dann auch häufiger Nachtschichten. Wie sagte Picasso so schön: „Die Inspiration existiert, aber sie muss Dich bei der Arbeit finden.“

Manchmal brauche ich Stille zum Arbeiten und dann wieder Musik – es ist sehr unterschiedlich. Für meine Mixedmedia-Arbeiten benötige ich viele Collage- und Assemblage Materialen, natürlich versuche ich da ein Ordnungssystem zu schaffen – doch das kreative Chaos gewinnt immer wieder ;))

Meine ersten Collage-Workshops für Kinder und Jugendliche habe ich vor einigen Jahren im Rahmen des Projektes „Guck ma“ von hamburg mal fair an Hamburger Schulen durchgeführt. Es ging im Rahmen des Projektes der ‚Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE)‘ um die Auseinandersetzung mit Fairness und fairtrade und um die Visualisierung und künstlerische Auseinandersetzung mit diesen Themen. Das hat mir viel Freude bereitet, daher biete ich auch im kleinen Rahmen für Kinder und Jugendliche individuelle Workshops bei mir im Atelier an.

Es motiviert mich, meine Interessen so zu verbinden, dass ich das, was ich leidenschaftlich gern tue und was mir guttut, auch gern mit anderen teile, die daran Interesse haben. Die Leidenschaft für Pilze begleitet mich seit meiner Kindheit und über die Jahre habe ich viel Wissen erworben. Einige FreundInnen haben mich im Laufe der letzten Jahre gefragt, ob ich sie mitnehme „in die Pilze“. Das waren dann jedes Mal ganz besondere Erlebnisse und daraus ist die Idee gewachsen, meine Pilzbegeisterung auch in berufliche Bahnen zu lenken.

Letztes Jahr habe ich meine Ausbildung zum Pilzcoach bei der Deutschen Gesellschaft für Mykologie erfolgreich abgeschlossen. Ich freue mich sehr darüber, meine Leidenschaft für Wald und Pilze nun neu mit dem kreativen Schaffen verbinden zu können.

Neben den neuen Workshops, die ich plane, wird mein Atelier jetzt auch zum Experimentierfeld für die Zucht von Edelpilzen. Mein Plan B, da ich ja in Bezug auf das erfolgreiche Sammeln von Waldpilzen immer sehr witterungsabhängig bin. Die Klimaveränderung ist auch in Sachen Pilze eine echte Herausforderung …


~ Faszination und Inspiration Rosenseitling ~

Wer sich für meine Pilz-Kreativ-Workshops und Seminare interessiert findet weitere Infos unter: https://pilzcoach.wordpress.com/

Draußen – Kunstaktion

#CleanUpThebeach

und

#LoveArtNature


#CleanUpThebeach – Fundstücke, Schätze für Assemblage-Arbeiten


#LoveArtNature – Langeland 2018

Kunstaktion #LoveArtNature an der Wismarbucht

Die Initialzündung für meine Müllsammel- und Kunstaktionen war 2014 in Dänemark. Da habe ich bei einer Müllsammelaktion am Strand mitgemacht: es war unglaublich, was wir dort alles gefunden haben. Seitdem kann ich gar nicht mehr in der Natur sein, ohne Müll zu sammeln. Früher habe ich mich häufig nur geärgert über die Vermüllung. Seit Jahren habe ich nun immer ein, zwei große Baumwollbeutel dabei und sammle den Müll, den ich tragen kann.

Da ich neben Müll auch Besonderes finde, das ich in meiner Assemblage-Kunst verarbeite, hatte ich vor ein paar Jahren die Idee, es auch an den Fundorten zu zeigen.

Der Müll kehrt also in Kunstform zurück und soll andere inspirieren, genauer hinzuschauen – und im besten Fall auch Müll zu sammeln, bzw. den eigenen Müll wieder mitzunehmen und ihn nicht achtlos in der Natur zu entsorgen …

Bei den Müllsammel- und Kunstaktionen komme ich immer wieder mit interessierten Menschen ins Gespräch. Das Feedback ist sehr positiv und manche machen tatsächlich spontan mit oder sie bekunden, dass sie in Zukunft auch Müll sammeln werden.


Schätze, gefunden auf Langeland, DK 2018 (Hühnergott und Treibgut-Holzsockel)
An der Ostsee

Aus der Aktion hat sich auch ein ganz besonderes Traveling Art Project mit meinen Freunden von heimathafen.one entwickelt: https://heimathafen.one/de/page/kunst-bord

Sponsoren, Mäzene für meine #CleanUpTheBeach und #LoveArtNature Aktionen sind herzlich willkommen. Auch mit dem Kauf meiner Kunst unterstützt Ihr diese Aktionen.

Liebe BesucherInnen des Kleinen Kunstfoyers, dankeschön für Euer Interesse.

Wenn Ihr mehr erfahren wollt, findet Ihr mich hier: 

Die aktuellen Ausstellungen, Vernissagen, die ich lange vorbereitet habe, wurden leider abgesagt oder unter Vorbehalt wegen der Corona-Situation verschoben. Bei Interesse findet Ihr den aktuellen Stand unter: https://atelierachtweb.wordpress.com/about.

Mein nächstes offenes Atelier „Kunst und Kännchen“ im atelier acht und gARTen findet voraussichtlich im Sommer statt. Save the date: 22. August 2020.

Herzlich, eure Teena Leitow

Bildrechte: Alle Bildrechte liegen bei © Teena Leitow. Die Bilder dürfen ohne Genehmigung der Urheberin nicht kopiert oder weiterverwendet werden.

~

Ihr Lieben, ich danke euch für den Besuch im kleinen Kunstfoyer. Dieses Projekt ist für mich eine Herzensangelegeheit, vor allem in Zeiten wie diesen. Unterstützt eure Lieblingskünstler*innen jetzt umso mehr, jeder kleine Beitrag zählt, er gibt nicht nur Mut, sondern kann helfen, Existenzen zu retten. Ich bereite für euch die nächste Ausstellung vor.

Eure Ina

Vom (Schreiben über das) Küssen

„Ein Kuss heißt: Ich lasse dich in mein Leben. Ich vertraue dir und schütze dich.“

(3)

 – M.E. Lee Jonas

Was ist das Schönste daran, eine Kussszene zu schreiben?

Ich bin dafür bekannt, solche Szenen diplomatisch zu umschreiben. Für mich spielt das Alter der Protagonisten eine große Rolle. Rede ich mit meiner 14-jährigen Tochter über das Küssen, reagiert sie wie ein Teenager. Sie errötet. In diesem Alter hat dies also noch eine andere Bedeutung. Meine Protagonisten sind vierzig Jahre und älter. Da gibt es plötzlich Bedenken, basierend auf früheren Erfahrungen und Verletzungen. Die Funktion eines Kusses verändert sich. Das schönste Gefühl, das ich in einer Geschichte ausdrücken kann: jeder aufrichtige Kampf lohnt sich. Ein Kuss bezeugt dann Hoffnung, Vertrauen und Dankbarkeit.

Was ist das Schwierigste daran, eine Kussszene auf das Papier zu bringen?

Ich lasse meine Erfahrungen, Werte und Bedeutungen mit einfließen. Es ist also eine Art »Entblößung« von Intimität. Ich versuche zu beschreiben, wie sich die Protagonisten wirklich fühlen. Ich bin keine Liebesroman-Autorin. Ich schreibe Dramedy und Urban-Fantasy. Das heißt, dass solch einer Kussszene viel Leid vorausgegangen ist und die Protagonisten sich dem Gefühl, dem sie sich lange Zeit verschlossen haben, stellen müssen. Das ist sehr schwierig, weil ich diese Empfindungen dann ebenso zulassen muss.

Welcher ist dein Lieblingssatz oder Absatz aus einer deiner geschriebenen Kussszenen und warum ist es dieser?

Sagen wir bedeutungsvollster Moment. In meinem Roman »MOSCHUSFIEBER #soulmate« durchleben die Protagonisten die tragische Seite der »wahren Liebe«. Beide in Ehen gefangen, die nur noch auf dem Papier bestehen, wehren sie sich gegen die Gefühle. Diese emotionale Verzweiflung verarbeiten die Protagonisten auf unterschiedliche Weise. Getrennt voneinander versuchen sie diese zu ignorieren oder zu verdrängen. Erst als die Protagonistin den Entschluss fasst, in eine andere Stadt zu ziehen, um ein neues Leben ohne ihn zu beginnen, kann er sich den Gefühlen endgültig stellen. Es ist eine Geschichte, die die Schattenseite einer Liebe zwischen gesellschaftlichen Verpflichtungen und großen, verzweifelten Emotionen erzählt. Die Schwierigkeit liegt immer darin, scheinbar einfachen Dingen wieder Bedeutung zu verschaffen.

»Es ist alles kompliziert … Ich war selbst überfordert und … Ich kann nicht …«, flüsterte er und umschlang meinen Nacken mit seinen weichen Händen.

Ich drehte mich weg und wich ein Stück zurück.

»Schluss mit den Spielchen. Du kannst nicht, und trotzdem soll ich als Lückenbüßer herhalten?«, blaffte ich mit bebender Stimme, worauf er auf mich zukam und mich küsste.

Ich wehrte mich ein paar Sekunden, bevor ich mich meinen Gefühlen hingab, die sich trotz der Ereignisse nicht verändert hatten.

»Ich kann nicht aufhören, dich zu lieben …«

(© M.E. Lee Jonas »MOSCHUSFIEBER #soulmate«)

Was bedeutet dir ein Kuss?

Ein Kuss heißt: Ich lasse dich in mein Leben. Ich vertraue dir und schütze dich. Bei meiner Tochter bedeutet er zudem: Keine Angst! Ich bin da! Du machst das toll! In der Öffentlichkeit heißt dies: Danke.

Wird dem ersten Kuss in Geschichten und Filmen eher zu viel oder zu wenig Bedeutung beigemessen?

Ich habe den Roman »Moschusfieber #soulmate« auch als Drehbuch umgeschrieben. Die Geschichte habe ich nicht verändert, den Ablauf jedoch für die Regie ändern müssen. Das Faszinierende war, dass es keine Rolle spielt, welchen Weg man wählt, die Gefühle ändern sich nicht. Jeder Leser oder Betrachter hat jedoch ein anderes Empfinden über die Wichtigkeit eines Kusses, basierend auf eigenen Erfahrungen.

~ * ~

(4)

„Ein Kuss bedeutet für mich die Abwesenheit von Zeit und Raum.“

– Jess Tartas

Was ist das Schönste daran, eine Kussszene zu schreiben?

Die Ruhe, die es braucht, um mich einzufühlen. Dass es notwendig ist, innezuhalten, wenn ich beschreiben will, was jemand spürt.

Was ist das Schwierigste daran, eine Kussszene auf das Papier zu bringen?

Schreiben bei geschlossenen Augen ist nicht immer so leicht.

Welcher ist dein Lieblingssatz oder Absatz aus einer deiner geschriebenen Kussszenen und warum ist es dieser?

Ich habe weder einen Lieblingssatz noch -absatz, aber ich erfinde einen, der mir jetzt gefällt.

Im Freibad. Wenn du kurz davor bist, dein Calippo-Eis aufgeschleckt zu haben und schon die Pappe schmecken kannst, dann ist der beste Moment für einen Kuss. Du siehst dich um und entdeckst den Typen, der immer da ist, immer bereit. Du weißt es, du hast ihn schon ein halbes dutzendmal geküsst. Du hängst dir dein Handtuch um die Schultern und gehst über den trockenen gelbgrünen Rasen. Die Papphülse steckst du dir in den Mund, saugst den letzten Rest klebriger Flüssigkeit heraus und wirfst die Verpackung in den Müll. Du und er, ihr kennt euch ja, es braucht nicht viel, um klar zu machen was du jetzt willst. Du hältst seine Hand, er umfasst deinen Kopf und führt seine Stirn an deine. Eure Nasen berühren sich, du wendest dich ab, er behaucht deine Wange, leckt dir deinen Hals und saugt sich fest. Du siehst den Himmel, blau und ewig, und mit einer kleinen Drehung schiebst du sein Gesicht vor deines, damit du deine Lippen auf seine legen und ihn am Beckenrand küssen kannst.

Mir gefällt der Absatz, weil er eine Erinnerung ist, die an der einen oder anderen Stelle für manche wahr sein könnte.

Was bedeutet dir ein Kuss?

Ein Kuss bedeutet für mich die Abwesenheit von Zeit und Raum. Ein Kuss ermöglicht es mir, eine Verbindung einzugehen, die nur in diesem Moment in dieser Handlung besteht. Und niemand kann dabei reden, das empfinde ich auch als wichtig.

Wird dem ersten Kuss in Geschichten und Filmen eher zu viel, oder zu wenig Bedeutung beigemessen?

Ich denke, es liegt ganz daran, wie viel man selbst dort hineinlegen möchte und wie empfänglich man gerade ist. So ein erster Kuss kann überraschen oder erlösen, angenommen oder abgelehnt werden. So ist es aber auch mit allen weiteren Küssen, denke ich. Die Herausforderung ist es, die nächsten Küsse nicht egal werden zu lassen.

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Bildrechte: - Foto Nr. 3: Linsensüppchen 54 / linsensueppchen54.de 
- Foto Nr. 4: Anja Müller /
www.anja-mueller-fotografie.de

Vom (Schreiben über das) Küssen

„Es gibt keinen wichtigeren und schöneren Ausdruck für Liebe.“

(1)

– Markus Jäger

Was ist das Schönste daran, eine Kussszene zu schreiben?

Die emotionale Verbundenheit zweier literarischer Figuren nachvollziehbar zu erzählen funktioniert als großes Ganzes über die Handlung ihrer gemeinsamen Geschichte, wenn aber die Gefühle in einer mitreißenden Momentaufnahme kulminieren sollen, dann am Besten in und mit einem Kuss. Wobei dieser Kuss zur Spannungssteigerung auch nur angedeutet werden kann. Wichtigste Motivation dabei ist und bleibt für mich die glaubwürdige Zartheit.

Was ist das Schwierigste daran, eine Kussszene auf das Papier zu bringen?

Die Frage, wie man die Schallmauer der simplen Beschreibung zweier aufeinandertreffender Münder durchbricht. Welche Gefühle spielen sich in den Figuren ab? Gehen diese Emotionen miteinander d’accord? Wie stark ist die Erleichterung der sich Küssenden? Sind die Augen geschlossen? Wohin kann bzw. soll der Kuss führen? Vor welchem narrativen Kontext geschieht der Kuss?

Welcher ist dein Lieblingssatz oder Absatz aus einer deiner geschriebenen Kussszenen und warum ist es dieser?

Ich habe eine (noch unveröffentlichte) Erzählung über eine schwule Liebesgeschichte geschrieben, in der einer der beiden Protagonisten nicht geoutet ist. Titel dieser Geschichte ist „Der Kuss als Wort“. Für mich bekommt der Kuss hier eine politische Bedeutung. Denn wer den Menschen, den er/sie liebt, in der Öffentlichkeit nicht zu küssen wagt, wird immer wieder zur Frage der Glaubwürdigkeit seiner/ihrer Liebe gezwungen. Ein aufreibender Konflikt, an dem die Liebe auch heut noch viel zu oft scheitert. Deshalb ist mir diese Erzählung besonders wichtig.

„Als sie nur Tage später einen öden grauen Gipfel im Schutz der dunklen Nacht erklommen, fiel ihr erstes Wort der Wahrheit über Schluchten in die Welt. Allein zu zweit. Wo niemand sah, was niemand sehen durfte. Erst dann wand sich der Weg nach unten und sie marschierten wieder heim. Denn ein Kuss, den andere sahen, ließ die Welt erkennen, was für S. die Welt nichts anging.“

Was bedeutet dir ein Kuss?

Es gibt keinen wichtigeren und schöneren Ausdruck für Liebe. Wenn wir mit einem Kuss nicht in der Lage sind unser Gefühl zu artikulieren, ist die Glaubwürdigkeit unseres Gefühls von vornherein zu hinterfragen. Wenn wir mit einem Kuss der Liebe authentisch Ausdruck verleihen, ist die Liebe nackt und echt. So wie unser Dasein in diesem Moment nackt und echt ist.

Wird dem ersten Kuss in Geschichten und Filmen eher zu viel, oder zu wenig Bedeutung beigemessen?

Das kommt auf die Geschichte beziehungsweise den Film an. Solange die oben erwähnten Impulse beim literarischen Küssen inkludiert sind, kann meines Erachtens nicht genug geküsst werden. Wenn allerdings nur das eine oder andere Hollywood Klischee vermarktet werden soll, wird man allzu schnell satt.

~ * ~

„Ich würde gern viele Menschen küssen. Damit meine ich Küsse der Begeisterung und Zuneigungsbekenntnis. Ich verteile auch Handküsse.“

(2)

– Julia von Rein-Hrubesch

Was ist das Schönste daran, eine Kussszene zu schreiben?

Das Kribbeln. Meist ist es so, dass man auf einen Kuss hinschreibt. Man fiebert ihm also entgegen. Wobei ich persönlich selten küssen lasse. Wenn man sich küsst, ist die intime Berührung passiert, der Zauber des Wartens und Erwartens vorüber. Ich leide lieber an der Sehnsucht.

Was ist das Schwierigste daran, eine Kussszene auf das Papier zu bringen?

Den Zauber innezuhalten. Beim Küssen berühren sich Lippen, oder Lippen berühren Haut. Der Prozess selbst gibt also nicht viel her, um den Leser fiebern zu lassen. Man sollte die Szene so gestalten, dass das Drumherum die eigentliche Magie ist. Ein scheues Lächeln gefällt mir da oder gerötete Wangen. Ganz wichtig ist auch der Ort. Er sagt was über die Küssenden aus. Eigentlich stehen Autor*in viele Möglichkeiten zur Verfügung, man kann spielen. Es geht darum, es gut zu machen. Eine Kussszene neben einer Mülltonne zum Beispiel, bei dem es dem Leser heiß wird, zeugt von guter Kunst.

Welcher ist dein Lieblingssatz oder Absatz aus einer deiner geschriebenen Kussszenen und warum ist es dieser?

Da muss ich erst mal suchen. Ich geize mit Küssen in meinen Geschichten. Es geht ja meist um Suchende, und Küsse findet man nicht so leicht.

Und dann macht er einen Schritt auf mich zu, und noch einen, und ich, weil ich mal wieder nichts raffe, mache einen Schritt zurück und noch einen.
Bis ich mit dem Rücken an der Hallenwand stehe, und Tony direkt vor mir. Er stellt seine Tasche auf den Boden und stützt den Arm an der Mauer ab. „Wenn du noch einen Schritt machen willst, muss du dich schon durch die Steine bohren“, sagt er und grinst sein einzigartiges, schiefes Grinsen.
„Ich …“, mache ich, weil ich zu mehr nicht in der Lage bin.

„Willst du das?“, fragt Tony und grinst mich an. „Willst du noch einen Schritt machen? Dann nehme ich meinen Arm weg. Nur ein Wort, Fee.“

Ich schlucke. So langsam fällt bei mir der Groschen, auch wenn das nicht bedeutet, dass ich was Sinnvolles tun oder sagen kann. Ich schaffe es grad noch, mit dem Kopf zu schütteln.

Und dann …

… küsst er mich.

Es ist diese Szene, weil es die einzige von mir ist, in der sich geküsst wird. Aber ich mag sie auch so sehr.

Was bedeutet dir ein Kuss?

Uff, es wird nicht leichter.

Ein Kuss bedeutete mir viel. Ich würde gern viele Menschen küssen. Damit meine ich Küsse der Begeisterung und Zuneigungsbekenntnis. Ich verteile auch Handküsse. Es gibt ja so viele verschiedene Arten von Küssen, deswegen muss man da vorsichtig sein, wem man welche gibt.

Wird dem ersten Kuss in Geschichten und Filmen eher zu viel, oder zu wenig Bedeutung beigemessen?

Mit dem Küssen wird viel Schindluder getrieben! Vor allem finde ich die ersten Küsse in Filmen und Serien immer ganz schlimm, da fühle ich mich persönlich beleidigt. Jeder wartet drauf, dass sich endlich geküsst wird, und dann werden Lippen aufeinandergepresst und Köpfe hin und hergeworfen. Das finde ich gemein. Der erste Kuss ist Sinnlichkeit, oder? Er trägt schon die Sexualität in sich, doch die kommt erst später. Außer, es ist ein One-Night-Stand. Meine Güte, das sind echt schwere Fragen, haha.

Ich kann keine Figur mehr ernst nehmen, die beim ersten Kuss Zunge und Speichel preisgibt. Küsse sind heilig. Und das zeigt, was für ein mächtiges Instrument sie sind. Da kann man viel falsch machen. In den Büchern, die ich lese, wird wenig geküsst. Mann, das klingt ja traurig. Mitgefiebert hab ich echt bei Herr Lehmann, ich wollte so sehr, dass er die schöne Köchin küsst. Und das ist schon lange her. Teenieküsse werden meist verhauen, ich finde, das kann Stephen King gut. Teenager küssen magisch, da muss man sehr aufpassen, dass man es richtig einfängt. Und ich finde, dass Küsse in Genres, die nicht zur Liebe gehören, zu wenig vorkommen. Das werde ich selbst in Zukunft mal ändern 🙂 Die Frage bleibt auch, warum das so ist. Ich schätze, weil man da Angst vor dem Klischee hat: Oh, jetzt kommt gleich die Romantikkeule.

Bildrechte: – Foto Nr. 1: Linsensüppchen 54 / linsensueppchen54.de
– Foto Nr. 2: Anja Müller / www.anja-mueller-fotografie.de