Bühnenseelen und das Knistern in der Luft

_Anne Barth_

Auf der Bühne




„Das Theater zieht einen in den Bann. Hat man lediglich Bilder von einem Stück, fehlen die Musik und die Stimmen und somit ein großer Teil der Atmosphäre. Um das auszugleichen muss ich nah an die DarstellerInnen heran und Momente finden, in denen sie ganz eins mit ihrer Rolle sind. Ich will die Spannung einfangen, die schon fast die Luft zum knistern bringt. Anfangs hieß das für mich, dass ich mir jedes Stück einmal ansah, bevor ich es dann bei der nächsten Probe fotografierte. Inzwischen habe ich genug Übung. Ich lasse mir den Ablauf kurz erzählen und fotografiere direkt. Das zu erreichen hat einige Jahre und Vorstellungen gebraucht, hilft mir inzwischen aber auch sehr bei anderen Aufträgen.“

„Am liebsten fotografiere ich bei einer Probe auf der Bühne, bewege mich zwischen den SchauspielerInnen und ArtistInnen. Es ist ein seltsames Gefühl, wenn ich ein Stück fotografiere. Ich tauche so sehr ein, dass ich vieles um mich herum gar nicht mehr wahrnehme.“

„Mit der Theaterfotografie begann es, als ich während des Studiums an der Fotoakademie in Köln den Auftrag bekam ‚Die Produktion von …‘ zu fotografieren. Während meine KommilitonInnen zu Geigenbauern, Winzern und ähnlichem zogen, war für mich klar, dass ich die Produktion eines Theaterstückes dokumentieren wollte. So kam es, dass ich vier Wochen lang eine Kollaboration zwischen Schauspielern, Artisten und Musikern im Zirkus- und Artistikzentrum in Köln dokumentierte, die gemeinsam in einem sehr freien Schaffungsprozess ein Stück entwickelten. Diesen Prozess zu begleiten hat mich und meinen Blick auf das Theater sehr geprägt. Es ging dabei nicht darum, ein klassisches Stück in einer neuen Interpretation auf eine große Bühne zu bringen, sondern Dinge auszuprobieren, sich auf Neues einzulassen, seine Komfortzone zu verlassen und etwas hervorzubringen, das nur im Zusammenspiel Aller entstehen konnte.“

„Als Fotografin bin ich häufig einer der ersten Außenstehenden, die das Stück (fast) fertig sehen. Einmal wurde ich nach der Generalprobe gefragt, was ich davon halten würde, wie sich die Musik peu à peu verändert, indem sie von einem harmonischen Stück immer schräger und schiefer wird. Ich hatte es nicht wahrgenommen. Bei der Premiere, die ich als Zuschauerin sah, war mir unbegreiflich, wie es mir nicht hatte auffallen können, wie sehr die Musik sich verändert. Aber wenn ich fotografiere, wird so etwas offenbar nebensächlich für mich.

Vielleicht ist es auch das, was ich an der Theaterfotografie so mag, das Menschliche dazwischen. Mit einem bestimmten Regisseur habe ich schon häufig zusammengearbeitet. In der Zusammenarbeit mit ihm habe ich die Möglichkeit, mich sehr viel mehr in das Stück einzubringen, anstatt es wie sonst nur zu dokumentieren. So bin ich, obwohl ich ’nur‘ Fotografin bin, beim ersten Treffen mit den SchauspielerInnen dabei, kann Gedanken zum entstehenden Stück äußern und bin sehr frei, was die Umsetzung des Plakates angeht. Zum Teil konnte ich Filme und Bildsequenzen, die in dem Stück verwendet wurden, beisteuern. So wird aus der dokumentarischen Theaterfotografie auf einmal ein gemeinsamer Schaffensprozess, was mich persönlich sehr erfüllt.

Nach einigen Jahren in diversen Theatern kannte ich die ersten Fettnäpfchen und Fallstricke (nach der Generalprobe wird nicht applaudiert, man spuckt sich vor der Premiere über die Schulter und wünscht sich ‚Toi Toi Toi‘, niemand läuft über den frisch geputzten Tanzboden usw.). Ich hatte viele SchauspielerInnen kennengelernt und wusste wie es wo zugeht. Nach und nach wurde mir bewusst, dass der Blick der ZuschauerInnen sich nur auf das Geschehen auf der Bühne richtet, etwas ganz essentielles aber verborgen blieb: die künstlerischen LeiterInnen der jeweiligen Bühnen. Die Menschen, die ihre Idee, vielleicht auch Vision, ihres Theaters umsetzen.

Manche Theater sind politisch, andere richten sich an Kinder, wieder andere sind extrem experimentell. Vor allem die kleinen Theater sind ein Spiegel der Persönlichkeit Ihres bzw. Ihrer künstlerischen LeiterIn, es sind für mich die ‚Bühnenseelen‘. Diese Menschen wollte ich zeigen, ihnen eine eigene Bühne bieten. Für mich sind sie, neben den großartigen SchauspielerInnen, der Kern der Kölner Theaterszene. Somit portraitierte ich über 1,5 Jahre ca. 50 künstlerische LeiterInnen / IntendantInnen der freien Kölner Theaterszene.“

Hinter den Kulissen

Marina Barth_Klüngelpütz

Heinz Simon Keller_Theater der Keller

Mareike Marx_Metropol Theater

„Ich traf mich mit jedem bzw. jeder an einem Ort seines/ihres kreativen Schaffens. Und so wie ich bei der Bühnenfotografie versuche, den Moment der Rolle einzufangen, versuchte ich bei diesen Menschen ihre Persönlichkeit zu erfassen. Manchmal fand ich diesen Moment nach 15 Minuten, manchmal tranken wird vorher dreieinhalb Stunden lang Kaffee und unterhielten uns, bis genug Vertrauen und Offenheit da war, um den Menschen, und nicht nur eine Maske, zu zeigen.“

Anne Barth_Theaterfotografie_Portraits_Reportagen

Anne Barth ist seit 2016 selbstständige Fotografin, das Fotografie-Diplom wurde ihr kurz davor an der Fotoakademie in Köln verliehen. „Ins Theater bin ich schon immer viel gegangen. Als Grundschulkind hatte ich gemeinsam mit einer Freundin ein Abo für das Theater im nächsten Ort. Einmal im Monat putzten wir uns nach eigenem Ermessen fein heraus und sahen ‚Die Zauberflöte‘, ‚Die kleine Hexe‘, ‚Der Nussknacker‘ und vieles mehr. Als Studentin in einer anderen Stadt waren es unter anderem die vergünstigten Studententickets, die mich regelmäßig ins Theater zogen. Ein paar Jahre später heiratete ich sozusagen in eine Theaterfamilie ein, meine Schwiegermutter leitet das Kölner Kabarett-Theater ‚Klüngelpütz‘, mein Schwiegervater hat das Theaterpädagogische Zentrum, sowie das ‚Zirkus- und Artistikzentrum Köln‘ ins Leben gerufen.“

Bewegungen bannen und Licht einfangen

Selbstportrait_Pfingstrose

Bei ihrer ersten umfassenden Dokumentation der Entstehung eines Stückes während des Studiums begegnete sie auch den besonderen Herausforderungen und Tücken der Theaterfotografie. „Nun, sechs Jahre später, glaube ich, dass ich im Theater bzw. Zirkus (dabei spreche ich stets vom modernen Artistik-Zirkus) einen großen Teil meiner technischen Fähigkeiten erlangt habe. Im Theater und Zirkus ist es prinzipiell sehr dunkel, die Kontraste sind sehr hoch. Unsere Augen sind viel besser als eine Kamera in der Lage, schwierige Lichtsituationen zu kompensieren. Gleichzeitig gibt es unerwartete, mitunter schnelle Bewegungen. Dadurch kann ich einerseits nur kurz belichten, was der schlechten Lichtsituation zuwiderläuft, andererseits muss ich selbst sehr schnell sein und ‚wissen‘ wann wo was passiert. Aber auch das macht für mich den Reiz der Theaterfotografie aus. Ich stehe plötzlich in einer verrückten, bunten, mitunter schrillen Welt und während ich noch in sie eintauche, dokumentiere ich sie. Was mich berührt, fange ich mit meiner Kamera ein. Genau dafür bin ich Fotografin geworden.“

Die Serie ‚Bühnenseelen‘ wurde im Rahmen der letzten Kölner Theaternacht im Oktober 2019 ausgestellt. Die Portraits sind auf der Webseite von Anne Barth zu sehen.

Die Fotos „auf der Bühne“ entstanden in den Jahren 2016 bis 2020 in Köln.

Wer mehr über Anne Barth erfahren mag, kann sich auf ihrer Webseite, ihrem Instagram– oder Twitter-Account sowie auf ihrer Facebookseite umschauen.

Bildrechte: Die Fotos dürfen ohne Genehmigung der Fotografin Anne Barth nicht kopiert oder veröffentlicht werden.

Baum_maßnahmen /// Die Weichheit der Vielen

_Von Linsensüppchen 54

pt.1

 

pt.2

 

pt.3

 

pt.4

 

 „Hart & weich. Die Zartheit & anmutige Erhabenheit, die Kraft der Bäume. Sie fasziniert mich.“

Meine Reihe „Baum_maßnahmen /// die Weichheit der Vielen“ soll eine geheimnisvolle Stille transportieren & innere Stärke in den Betrachter einfließen lassen. Die Motive tragen ganz bewusst nur einen schlichten Namen (pt.1-4). Sie sollen nichts beschreiben, sondern (Gefühle) auslösen.
Bäume & ihre Schatten(meister)werke haben auf mich eine fließende Klarheit, Ruhe, Kraft & wecken in mir Erinnerungen.
Jeder Betrachter dieser Bildreihe wird etwas anderes, sehr persönliches entdecken & daraus ziehen.
Nimm die Eindrücke in deine Erinnerung auf, speicher sie & hol sie raus, wann immer du es brauchst.

 

2015-05-31 21.52.50_Portrait

 

           Juli, vielen Dank, dass du mir etwas über dich erzählen magst und eine Fotoreihe von dir präsentierst.

Verrate mir ein wenig von dir.

 

 


 

 

Ich bin Juliane Befeld & lebe im wunderschönen Lipperland, nahe eines Naturschutzgebietes. Ich fühle mich sehr naturverbunden /// hier ziehe ich meine Kraft. Sobald ich mit der Kamera durch meine Welt(en) streife, er_fühle ich Freiheit & sehe die Umgebung mit anderen Augen.

2014 entschloss ich mich in einem Zandvoort_Urlaub am Meer dazu, mich mit meiner Fotografie selbstständig zu machen und mich als „Linsensüppchen 54“ öffentlich zu präsentieren. Hier entwickelte ich meinen Namen. „Linsensüppchen“ steht für ein Potpourri aus Blickwinkeln auf diese faszinierende Welt. Die Nummer „54“ trägt dabei noch eine wichtige, persönliche Geschichte mit sich. Sie erinnert mich an meine eigenen Stärken & an den Weg, den ich gehen mag. Ich bin nicht immer gradlinig, aber ich mag Klarheit & Ruhe /// du siehst::: mich in Widersprüchen verzwicken kann ich gut.

Meine Internetseite www.linsensueppchen54.blogspot.com entstand.
Hier möchte ich mit meinem Portfolio & meinen Gedanken ein kleines Stück entführen, begeistern, überraschen.

I wish my eyes could take photos.

Seit wann fotografierst du und worin wurzelt diese Leidenschaft? Mit welcher Kamera fotografierst du am liebsten?
Die Welt inspiriert mich und dass ist, was ich mag: in Pfützen springen, indisches Essen, Konzerte, das Meer, Strand und Muscheln, Federn, Schallplatte hören, frisch gewaschene Bettwäsche, Räucherstäbchen, Sommerregen, Fotoautomaten, Koriander, Malaysia, Trauerweiden, Seifenblasen, Herbst, Ingwer, Situationskomik, Einwegkameras, der Knapp am frischen Brot, Textmarker und Klebezettel.

Ich mag es, das Leben in seinen vielen Umständen zu er_leben. Unberechenbar und wandelbar. Nicht greifbar. Nicht planbar. Dass macht ein Motiv zu meinem perfekt-unperfekten Motiv.

Anfangs fotografierte ich analog oder experimentierte mit der Polaroidkamera; heute arbeite ich mit meiner Spiegelreflexkamera.
Ich arbeite mit meiner mir vertrauten Canon_Spiegelreflexkamera, die mir viele spielerische Möglichkeiten bietet.
Besonders gerne arbeite ich s/w, da sich die Kontraste hier am geheimnisvollsten ausleben.
Mein Herz hängt auch an meiner analogen Canon A-1 (aus Anfang der 80er Jahre) und meiner Fujifilm-Polaroidkamera.

Zudem spiele ich gerne mit Einweg- oder Unterwasserkameras. Auch Kinder lieben das sehr. Sie haben ein ganz besonders schönes Auge auf diese Welt. Ihr Blickwinkel fasziniert & inspiriert mich.

Einige der Bilder bearbeitest du nach, erzähl mir etwas über diesen Vorgang.
Ich arbeite besonders gern s/w. Oft fotografiere ich auch gleich in diesem Modus. Ich mag die starken Kontraste, die sich hier herausarbeiten lassen & das Bild mit kleinen Mitteln lebendig werden lassen. In s/w ist das Motiv sehr pur & lenkt den Blick auf das Wesentliche. Außerdem wirkt es geheimnisvoll & weckt (im besten Fall) eine gewisse Melancholie & Nachdenklichkeit in dem Betrachter.
Was ich auch sehr mag ist, wenn der Fokus des Motives mit seinem Hintergrund verschmilzt & fast gar keine Konturen mehr zu sehen sind. Fokus & Hintergrund werden Eins miteinander. Dies wirkt sanft & zerbrechlich.
Du siehst::: sowohl ich & meine Bilder strömen in zwei unterschiedliche Richtungen & Stimmungen. Entweder stark konturenhaft oder ganz weich. Ich mag das.
Du kannst diese Gegensätze auch total gut in einem Motiv vereinen, wie du an meiner Fotoreihe „Baum_maßnahmen /// die Weichheit der Vielen“ erkennen wirst. Du siehst::: Das Leben, seine Narben und die Unperfektheit der Natürlichkeit. Hart & weich. Die Attribute, mit denen wir uns tagtäglich auseinander setzen & umgehen lernen.

Du schreibst auch gerne, was meinst du zu dem Sprichwort „ein Bild sagt mehr als tausend Worte“?
Du hast Recht, die deutsche Sprache steht mir sehr nah; ich liebe es mit ihr zu spielen und sie zu verkehren und zu verdrehen.

Kennst du das, wenn du einen Menschen, den du liebst oder den du gerade erst kennen gelernt hast, in die Augen schaust & eine Stimmung spürst. Du nimmst etwas von seinen Sehnsüchten, Wünschen & Gefühlen war. Die Person braucht nichts sagen; die Situation ist klar.
So geschieht es mir auch oft mit meiner Kamera. Ich sehe ein Motiv, es berührt mich /// fängt mich ein. Es braucht dann keine große Worte, sondern transportiert ein Gefühl. Der Blickwinkel ist mir dann schnell klar.
Mein Wunsch ist es den Betrachter meiner Bilder genau dort abzuholen. Ihn zu berühren. Ich mag meine Mitmenschen ins Staunen versetzen und sie zum Nachdenken bringen. Es gibt nicht nur eine Sicht auf die Dinge. Jeder hat einen anderen Blick für Ästhetik, Bilder und Formen. Ich finde es spannend und wichtig, all die Sichtweisen der Menschen zu erfahren und in Diskussion zu kommen.

Bildrechte: Juliane Befeld