Outtakes

 

Outtakes und Kommentare von mir 

Ich liebe die Outtakes und Kommentare beim Bonusmaterial von Filmen, deswegen möchte ich dieses Feature nun für dich auf eines meiner Bücher anwenden. Ich habe die unveröffentlichten Szenen aus „Letzte Zutat Liebe“ zusammengestellt und einige davon kommentiert.

Wenn ich eine Geschichte schreibe, ist das für mich ein großes Abenteuer, denn währenddessen lerne ich die Figuren immer besser kennen. Oft überraschen sie mich auch, weil sie im Laufe der Geschichte manchmal ihre eigenen Wege gehen.

June hat viel erlebt, bevor ich sie für dich zum ersten Mal in der Geschichte auftauchen lasse. Ihre Erlebnisse haben ihren Charakter sehr geprägt, deshalb habe ich mich in der ersten Fassung auch ihrer Sicht gewidmet. Die Geschichte wurde also nicht nur aus Lauras, sondern auch aus Junes Perspektive erzählt.

Mit etwas Abstand wurde mir dann bewusst, dass die Geschichte intensiver würde, wenn ich Laura all die Dinge über June selbst herausfinden lassen würde und du sie dabei begleitest, ohne dass June dir schon zu viel über sich verrät.

Nach der Veröffentlichung schrieben mir einige Leserinnen, dass sie June als Figur etwas blass gefunden hätten. Verständlich, ich hatte mich ihr ja auf eine andere Weise angenähert, die ich dann im Buch anscheinend nicht ganz und gar sichtbar gemacht habe. Aber ich habe dadurch gelernt. Bei meinem neuen Projekt gibt es zwar auch wieder nur die Sicht einer Figur, aber ich habe mir im Vorfeld viel Zeit genommen, die zweite Hauptfigur intensiv kennenzulernen. Eine schöne Möglichkeit ist zum Beispiel, dass die Figur der Autorin einen Brief über sich schreibt. Ich werde bald ein paar dieser Briefe hier veröffentlichen.

Du kannst die Outtakes folgendermaßen lesen:

Entweder du liest dir die Szenen einfach so durch, ohne Bezug zur Originalveröffentlichung. Du kannst aber auch das Taschenbuch oder das E-Book zur Hand nehmen, dich nochmal in den Moment hineinfühlen – oder das Buch erneut lesen 🙂 – und Junes Sicht dazunehmen.

Leitfaden zur Nutzung der Outtakes und Kommentare:

Ich habe die Seitenzahl (Taschenbuch) bzw. die Position (E-Book) aufgeschrieben und die Nummer des Absatzes.

Ein Absatz bildet immer der Textbereich, der eingerückt ist.

Beispiel:

June löste sich und sah sie an. (1. Absatz)

»Danke.« (2. Absatz)

Zur besseren Orientierung, damit du genau siehst, wo die unveröffentlichte Szene in der ersten Fassung gestanden hat, habe ich hier vor und nach der Szene immer den letzten Satz aus dem Originaltext aufgeschrieben. Damit hast du auch einen Anker, wenn du die veröffentlichte Geschichte in Kombination mit den unveröffentlichten Szenen erneut lesen magst.

Meine Kommentare sind farbig in orange markiert. Dein Auge kann sie also lesen oder überfliegen, fast wie beim Ein- und Ausschalten auf einer DVD. 😊

Ich wünsche dir viel Freude bei diesem Ausflug hinter die Kulissen von „Letzte Zutat Liebe“.

 

Outtakes und Kommentare

E-Book, Position 354, letzter Satz

Taschenbuch, Seite 27, 3. Absatz

… und drückte ihr einen Kuss auf den Mund.

***

June versank in den Augen der Frau, die sie überrascht, aber interessiert musterten. Dieser Blick traf sie tief. Ihr Herz begann zu rasen. Du hast sie geküsst. Der Impuls hatte June übermannt, vor lauter Freude über den wiedergefundenen Zettel. Die offene Ausstrahlung der Frau hatte sie angezogen. Wow, was für ein interessantes Gesicht.

***

Laura zuckte zusammen …

~ 0 ~

E-Book, Position 509, vorletzter Absatz

Taschenbuch, Seite 38, Mitte der Seite, 8. Absatz

(…) Bevor Laura antworten konnte, verließ June hastig die Küche.

***

June eilte aus der Küche, durch den Gang hindurch, hielt ihren Chip vor die Tür und öffnete dann am Ende des Flures den Notausgang, der hinaus zum Hof führte. Die warme Abendluft und der süßliche Duft des frischaufgetragenen Torfes auf den umliegenden Blumenbeeten empfing sie. Sie ließ die Tür zufallen und lehnte sich gegen die Wand.

Ihr Herz klopfte schnell. Sie sog die frische Luft ein und ballte die Hände zu Fäusten. Sie kribbelten. So wie ihr Magen. War es die Freude über ihre wiedergefundenen Notizen? Die Aufregung? Oder war es wegen ihr? Wegen Laura. Der Kuss war June in alle Glieder gefahren. Das Gefühl hatte sie noch einigermaßen abschütteln können und sich eingeredet, es sei das Adrenalin wegen des wichtigen Gastes, doch als sie kurz ihre Hände in ihren gehalten hatte und eben ihre Hand unter ihrer gespürt hatte, war das Gefühl immer wieder von neuem durch ihre Adern gewogt. In den letzten Monaten war sie vielen unterschiedlichen Menschen begegnet, doch nie hatte sie so etwas gespürt wie vor über einem Jahr, als sie Sally kennengelernt hatte. Bis gerade. Ihr Herz begann zu rasen. Sollte ihre Vermutung also doch wahr sein? Fühlte sie sich zu Frauen hingezogen? War sie deshalb diesem heftigen Impuls nachgegangen einzufordern, dass Laura blieb, weil sie Angst gehabt hatte, den Kontakt zu ihr gleich wieder zu verlieren?

Nein, beruhig dich. Du kannst gerade nicht klar denken. Du hattest einen anstrengenden Tag. Mora setzt dich unter Druck. Dir steht ein wichtiges Urteil eines Gastes bevor. Du musst dich konzentrieren. Geh da rein, mach deinen Job und halte diese Stunde durch. Der Gast wird zufrieden und Mora glücklich sein und Laura ist dann auch wieder weg. Wieder weg … June ignorierte das dumpfe Gefühl in ihrem Magen, stemmte die Arme auf die Beine, atmete noch einige Male tief ein und aus und eilte zurück in die Küche.

***

Lauras Blick fiel auf das dicke Notizbuch …

~ 0 ~

E-Book, Position 604, vorletzter Absatz

Taschenbuch, Seite 45, vorvorletzter Absatz.

(…) Und los!

***

June sah, wie Laura durch die Tür verschwand. Jetzt bist du völlig bei ihr unten durch. Ihr Magen zog sich zusammen und das Gefühl der Angst war stärker als die Wut, die sie Mora gegenüber empfand. Egal wie das da draußen ausgeht, Laura wird dir diese Aktion nicht verzeihen und aus deinem Leben verschwinden wollen.

June starrte auf den Fußboden. Es war alles ihre eigene Schuld. Sie dürfte gar nicht mehr hier sein. Mora hatte ihr einen Gefallen getan, als sie June vor fünf Monaten eingestellt hatte. Dass sie irgendwann etwas von ihr einfordern würde, hätte sie kommen sehen müssen. Mora kannte nicht ihre ganze Geschichte. Sie glaubte, sie sei eine gute Köchin, die seit einem Jahr durch das Land reiste, um mehr Sicherheit zu bekommen und die sich eine Art Auszeit fernab von zuhause nahm, weil sie den Anforderungen ihres alten Lebens nicht mehr gewachsen gewesen war. June hätte ahnen müssen, dass jemand aus der Vergangenheit ihr über den Weg laufen und sie in eine Zwickmühle bringen würde.

Sie blickte zu Mora die mit verschränkten Armen das Geschehen in der Küche beobachtete.

Du musst dich bei Laura entschuldigen. Wenn sie gleich gehen will, musst du ihr hinterher und sie um Verzeihung bitten.

Im Augenwinkel sah sie, dass die Tür aufschwang. Sie drehte sich zu Laura um.

***

Laura betrat die Küche …

~ 0 ~

Anmerkung von mir: Während ich über Mora schrieb, lief mir häufig ein Schauer über den Rücken. Ich hatte oft Cruella de Vile aus dem Film 101 Dalmatiner vor Augen. Bis heute ist sie für mich eine der faszinierendsten Disney-Figuren, denn sie ist so herrlich überdreht, gruselig und doch voll einnehmender Energie.

Wenn du magst, schreib mir doch mal etwas über deine liebsten Filmfiguren (gezeichnet oder real). Mich interessiert sehr, was dich für Charaktere in den Bann ziehen. (Meine Mailadresse findest du am Ende der Outtakes.) 

E-Book, Position 688, Mitte der Seite

Taschenbuch, Seite 51, letzter Satz

(…) Laura lächelte und verließ kopfschüttelnd die Küche.

***

June stieß die Tür zu Moras Büro auf, ohne vorher anzuklopfen.

»Komm doch rein«, sagte Mora mit einer übertriebenen Handbewegung und drückte den Zigarillo aus. Der intensive Tabakgeruch stieg June beißend in die Nase.

»Wie konntest du mich in diese Situation bringen?«

»Beruhige dich und setz dich hin.«

June blieb stehen, verschränkte die Arme und stemmte sie dann doch in die Hüften. »Ich kann mich nicht beruhigen. Wir hatten eine Abmachung.«

Mora ging langsam um den Tisch herum und schob die Tür zu, dann begab sie sich wieder auf die andere Seite des Tisches.

»Die hatten wir, aber meinst du, so eine Chance bietet sich alle Tage? Ich habe eine Spitzenköchin, auch wenn diese sich anscheinend nicht als solche sehen will, ich wäre ja schön dumm, wenn ich das nicht nutzen würde.«

»Weißt du überhaupt, was für mich auf dem Spiel steht?«

Mora knallte die Handflächen auf den Tisch. »Wer setzt denn hier so viel aufs Spiel für jemanden, der mit nichts als einem Koffer und einem Abschlusszeugnis vor meiner Tür stand? Dazu noch ohne festen Wohnsitz und ohne Referenzen seiner letzten Arbeitgeber.«

Sie funkelten sich an. Mora machte den Rücken gerade, dann griff sie nach dem Hörer und streckte ihn ihr entgegen: »Bitte, June, wenn du dich überfordert mit der Situation fühlst, wenn ich dich ungerecht behandle und du diese Geschichte beenden möchtest, dann ruf doch deinen alten Arbeitgeber an, deinen Ex-Freund oder wer auch immer der Grund dafür ist, weshalb du dich hier bei mir versteckst und geh zurück.«

June riss ihr den Hörer aus der Hand und starrte darauf. Geh zurück. Das Bild ihrer Zwillingsschwester flackerte vor ihrem inneren Auge auf. Jasmin. Ihre Finger krallten sich fest um das Stück Plastik, so dass ihre Knöchel anfingen zu schmerzen. Wortfetzen ihres heftigen Streits prasselten auf sie ein. June schleuderte den Hörer auf den Tisch.

Mora lächelte. »Ich sehe, wir verstehen uns.«

June drehte sich um und schritt zur Tür.

»Gute Nacht, June.«

June eilte aus dem Raum. Sie knallte die Tür hinter sich zu und erstarrte. Was war denn bloß in sie gefahren? War sie von allen guten Geistern verlassen, Mora so zu behandeln? Du musst sofort da rein und dich entschuldigen! Ihre Finger rutschten von der Türklinke. Ihr Brustkorb hob und senkte sich schnell. Nein. Diesmal war Mora zu weit gegangen. Sie hatte sich schon zu viel von ihr gefallen lassen. Sie hatte Mora gebraucht, jetzt brauchte Mora sie. Trotz diesem Gedanken, fiel es June schwer sich von der Tür wegzubewegen. Langsam schlich sie über den Flur und stieg die Treppen zu ihrem Zimmer unter dem Dach empor. Obwohl der Herbst nahte, war es stickig in der kleinen Kammer. June machte das Fenster auf kipp und setzte sich auf ihr Bett. Sie fuhr sich mit den Händen über das Gesicht und als ihre Finger ihre Lippen streiften, spürte sie erneut das Kribbeln, dass sie nach dem Kuss empfunden hatte und diese angenehmen Schwingungen, die sie durchflutet hatten, während Laura in ihrer Nähe gewesen war.

June zog den Zettel mit Lauras Telefonnummer aus der Hosentasche und legte ihn neben sich. Sie würden sich wiedersehen. Die Umstände waren nicht optimal, eine schwere Aufgabe lag vor ihnen. Das war keine gute Voraussetzung, um sich näher kennenzulernen, aber es war eine Chance.

Sie schob die Finger ineinander, die Erinnerung an das Gefühl kam zurück, als sie Lauras Hand gestreift hatte und Wärme breitet sich in ihrem Innern aus. Diese Art Wärme, die sie bisher nur einmal gespürt hatte. Sie musste diesem Gefühl nachgehen. Sonst würde sie nie wissen, ob der Streit mit ihrer Schwester gerechtfertigt gewesen war und ob sie ihr Zuhause und Jasmin aus den richtigen Gründen verlassen hatte.

***

Eine dreiviertel Stunde später saß Laura …

~ 0 ~

Anmerkung von mir: Folgend findest du eine der liebsten Szenen, die ich je geschrieben habe. Es war sehr schade, dass ich sie damals nicht verwenden konnte, aber umso schöner ist es nun, sie dir zeigen zu können. Meine weiteren Gedanken dazu findest du unter der Szene.

E-Book, Position 855, letzter Satz

Taschenbuch, Seite 64, letzter Satz

… werden weder sie noch Mick davon angetan sein.

***

June nahm einen Schluck Kaffee und ließ den Geschmack auf der Zunge wirken. Der Milchschaum war herrlich cremig, der Kaffee selbst leider dünn. Sie nahm das vor ihr liegende Notizbuch, blätterte die zahlreichen Post It`s durch, die am oberen Rand hinausschauten und schlug die Seite auf, die mit mögliche Lieblingslokalitäten markiert war. Zu diesem Café mit dem Namen Zuckerstück hatte sie sich bisher notiert:

– toller Name

– leckerer Käsekuchen (innen saftig, herrlich bröseliger Rand)

– der Raum ist zu dunkel, man schaut rechts und links auf die Straße, es ist viel Verkehr

– um seinen Kaffee zu verfeinern, stehen auf dem Tisch sechs Streuer mit Zimt, Chili, gemahlener Vanilleschote, braunem und weißem Zucker und Schokostreuseln, (schöne Idee, das Angebot könnte aber noch mutiger sein)

– edle Stühle (roter Samt, die meisten sind allerdings durchgesessen)

– auf der Toilette gibt es eine Tapete mit Hirschen drauf, (die ist gruselig)

Unter der Liste fand June drei Striche, sie war nun also ein viertes Mal hier. Sie blätterte die nachfolgenden Notizen zu den anderen Lokalitäten durch. Bei den meisten standen viel mehr Spiegelstriche. Warum also, war sie wieder hier gelandet? Sie schaute auf und ließ den Blick von einem Gast zum anderen huschen. Zwischen ihr und einem älteren Herrn war nur ein Tisch frei. June kniff die Augen zusammen. Den kannte sie doch. Ja, er hatte beim letzten Mal auch auf diesem Platz gesessen. Er las Zeitung, eine von denen mit den großen Seiten und wenigen Fotos. Der ältere Herr ließ kurz die Zeitung sinken. Ihre Blicke trafen sich. Er lächelte, seine Fältchen tanzten auf dem Gesicht, er nickte ihr zu. June tat es ihm nach. Plötzlich packte sie ein Impuls, der entstand immer dann in ihrer Bauchmitte, wenn sie sich in der Nähe von jemanden wohlfühlte. Er hatte dazu geführt, dass sie Laura einfach auf den Mund geküsst hatte und er führte nun dazu, dass sie diesen Fremden ansprach. »Entschuldigen Sie bitte.« Der Mann war gerade dabei die Zeitung wieder zu heben, er verharrte in der Bewegung. »Ja?«

»Dürfte ich Sie etwas fragen?«

»Ja«, wiederholte er.

»Sind Sie öfter hier?«

Er ließ die Zeitung sinken. Er hob eine Augenbraue, beugte sich ebenfalls vor und streckte ihr die Hand entgegen. »Sollten wir uns nicht vorstellen? Ich heiße Klaus.«

June schüttelte seine Hand. »Ich bin June.«

»Ich bin jede Woche mindestens zweimal hier. Sie habe ich doch auch schon hier gesehen.«

June nickte. »Dürfte ich Sie fragen, weshalb Sie ausgerechnet in dieses Café kommen?«

»Wie meinen Sie das?«

»Nun ja, es gibt doch sehr viele Cafés in der Stadt, warum kommen Sie immer wieder hier hin zurück?«

Der Mann legte die Hände in den Schoß, die Zeitung klappte über die Knie. »Der Kaffee ist günstig und schmeckt zugleich. Ich mag den Marmorkuchen. Und die Kellner sind sehr freundlich.«

»Ist das alles?«

»Nein, es ist wohl die Summe vieler Teile.«

June notierte sich diesen Satz.

Der Mann sah auf ihren Block. »Ich habe mir das beim letzten Mal schon gedacht, Sie sind von der Zeitung, oder?«

June sah auf und lachte. »Nein, ich bin Köchin.«

»Dann sind Sie hier um neue Rezepte ausfindig zu machen?«

June grinste. »Nein, auch das nicht. Ich bin auf der Suche nach meinem Lieblingscafé. Um herauszufinden, warum ich etwas mag, mache ich mir Notizen und vergleiche sie.«

»Sind Sie neu in der Stadt?«

»Auch, irgendwie, aber ich versuche das mehr so für mich herauszufinden.«

»Und deswegen stellen Sie mir diese Fragen?«

»Ja, weil ich wissen will, warum man sich irgendwo wohl fühlt. Das müsste doch dann auch viel über einen selbst aussagen, oder?«

»Ist es denn wichtig, das genau benennen zu können?«

»Für mich schon.«

»Und wenn es einfach nur ein Gefühl ist? Das kann man schlecht durch eine Aneinanderreihung wie diese …«, er zeigte auf ihr Notizbuch, »… erklären. Herzen sind ehrlich, aber für den Kopf manchmal nicht zu verstehen.«

June sah ihm einen Augenblick lang in die blauen Augen.

»Ja, die Kommunikation der beiden ist manchmal, als sprächen sie zwei Sprachen.«

»Genießen Sie doch einfach, dass es Ihnen hier gut geht. Man kann auch vieles kaputt denken.«

»Vielleicht haben Sie recht.«

»Anstatt zu schreiben, probieren Sie lieber den Marmorkuchen.«

June nickte.

Er lehnte sich wieder nach hinten, »viel Glück«, er hob die Zeitung hoch.

»Danke«, sagte June. Sie warf einen Blick auf ihre Notizen und wiederholte den Satz in Gedanken: Und wenn es einfach ein Gefühl ist? In Junes Bauch kribbelte es plötzlich. Ein Bild von Laura blitzte vor ihrem inneren Auge auf. Als sich ihre Lippen berührt hatten, war sie auch von einem Gefühl gepackt worden. Ganz plötzlich. So wie damals, bei Sally. Ohne dass sie je geahnt hätte, dass ihr so etwas bei einer Frau passieren könnte.

June griff nach ihrem Handy. Sie öffnete das Suchfeld im Internet und gab den Namen Laura Benedikt und Astronautin ein. Vier Artikel aus dem letzten Monat erschienen. June überflog sie. Sie handelten von der letzten Mission zur Internationalen Raumstation, die in acht Monaten starten sollte. Bisher war wenig darüber bekannt gegeben worden. In drei Monaten würden die Namen der dreiköpfigen Crew veröffentlicht. In einem Artikel wurde erwähnt, dass Laura für diese Mission geeignet wäre.

June scrollte die Trefferliste weiter runter. Sie fand noch zwei weitere Artikel, die knapp zwei Jahre alt waren, in denen sich Laura zu neuen Forschungseinheiten für die Raumstation äußerte. Dann tauchte ihr Name erst wieder in einem sechs Jahre alten Artikel auf. Er handelte von der Landung, bei der es fast zu einem Unglück gekommen wäre. Eine Astronautin war beim Anflug auf die Erde ohnmächtig geworden. Laura hatte sich am Boden frühzeitig von ihren Sicherheitsgurten gelöst und sie durch Erste-Hilfe-Maßnahmen gerettet.

June betrachtete das Foto der beiden Frauen und ihres Kollegen, welches einen Tag später auf einer Pressekonferenz gemacht worden war. Laura lächelte nur schwach, ihr Körper wirkte kraftlos, während die anderen beiden Astronauten Freude und Stolz ausstrahlten. Laura wurde auf die Frage nach ihren Zukunftsplänen mit der Aussage zitiert: Die Mission war sehr anstrengend, ich werde mich in nächster Zeit voll und ganz auf die Arbeit in der Raumfahrtbehörde konzentrieren. Ob ich bald erneut eine Mission anstrebe, hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab, deshalb möchte ich mich dazu jetzt noch nicht äußern.

Schemenhaft erinnerte June sich an ein paar Fernsehbilder von damals und an die Aufregung, die es damals um die erste deutsche Astronautin im All gegeben hatte, doch die Euphorie wurde schnell von ihrem Rückzug aus der Öffentlichkeit überschattet. Männliche Kollegen waren nach einiger Zeit gefolgt und hatten das Interesse auf sich zogen.

June betrachtete das Foto erneut, es versetzte ihr einen Stich in den Magen. Laura schien es zu dem Zeitpunkt nicht sehr gut gegangen zu sein. Sie hatte schon ein paar Interviews mit Astronauten gelesen und gehört, alle von ihnen sprachen von den nächsten großen Missionen zum Mond und zum Mars und wie gerne sie dabei sein würden. Lauras Aussage klang im Vergleich dazu sehr zurückhaltend. Sie rief sich das Bild von ihr in der Küche in Erinnerung. Laura war nun sehr muskulös und schlank, ihre Haare trug sie nicht mehr kurz, sondern band die langen Haare fest zu einem Zopf nach hinten. June schaute erneut auf das Display und eines der Fotos vor der Mission. Lauras Gesicht war damals rundlicher gewesen, die Mimik gelöster. Was war ihr passiert?

Neben ihr erhob sich jemand, June spürte plötzlich eine Hand auf ihrer Schulter und sie blickte hoch. »Grübeln Sie nicht so viel. Ich wünsche Ihnen, dass Sie leichter Ihre Antworten finden.«

Klaus lächelte. June tat es ihm nach. »Danke, ich werde es versuchen. Auf Wiedersehen.«

Er nickte und verließ das Café. Meine Güte, wie spät ist es? June warf einen Blick auf die Uhr, beim Nachdenken über Laura, hatte sie völlig die Zeit vergessen. Hastig raffte sie ihre Sachen zusammen, legte Geld auf den Tisch, gab dem Kellner ein Zeichen und eilte zur Abendschicht.

***

Kapitel 4 …

Anmerkung von mir: Hat dir die Szenen gefallen? Vielleicht magst du mir deine Eindrücke dazu mailen. 

Ich denke manchmal, einige Menschen wissen gar nicht, was sie für wertvolle Spuren im Leben von anderen hinterlassen haben. Manchmal reichen dafür schon ein paar Worte oder indem sie Mitgefühl gezeigt haben. Diesen Menschen wollte ich mit dieser Szene danken. Außerdem wollte ich festhalten, dass es manchmal hilfreich sein kann, sich ein Stück Kuchen oder einen ruhigen Moment zu gönnen, als zu viel zu grübeln.

~ 0 ~

E-Book, Position 1159, letzter Satz

Taschenbuch, Seite 88, letzter Satz

… Vielleicht würde ihn das besänftigen.

***

June saß seit einer halben Stunde an dem kleinen Tisch in ihrem Zimmer vor dem Zeitschriftenstapel und wie jede Woche fiel es ihr schwer, mit den Recherchen zu beginnen. Sie nahm eine der Kochzeitschriften in die Hand und legte sie wieder weg. Sie streckte die Beine aus und starrte mit verschränkten Armen auf das schwarz-weiße Bild über dem Bett, es zeigte eine Marktszene aus den 20er Jahren, die Stadt war nicht zu identifizieren. June kannte jedes Detail dieses Fotos. Sie wusste, dass die junge Bulldogge, die unter dem Gemüsestand saß, kein Halsband trug, dafür aber einen weißen Fleck auf der Schnauze hatte. In der Kiste über ihr waren einundzwanzig Tomaten, auf dem Bild waren zudem elf Männer, vier Jungs, ein Mädchen und fünf Frauen zu sehen. Es gibt dort nichts mehr zu entdecken, fang endlich an, June. Sie drehte sich zum Tisch. Heute war also schon wieder Donnerstag, der Tag, an dem die drei größten Kochzeitschriften des Landes erschienen. Sie lagen mit den letzten sechs Ausgaben der Lokalzeitung ihres ehemaligen Wohnortes vor ihr, die sie sich an ein Postfach schicken ließ.

June holte tief Luft, nahm einen Schluck Kaffee aus dem Pappbecher und schlug die erste Zeitschrift auf. Es war die dickste von allen und beinhaltete neben einigen Rezepten und Trends den meisten Klatsch und Tratsch. Sie studierte das Titelblatt, dann das Inhaltsverzeichnis. Gut, dort tauchte der Name ihrer Schwester schon mal nicht auf. Sie begann zu lesen. Es kostete sie viel Überwindung, sich wirklich jede Meldung anzusehen, doch jede neue Info könnte wichtig für sie sein. Als der Becher leer war, hatte sie die erste Zeitschrift durch. Unruhig wippte sie mit dem Fuß auf und ab. Also dann, Zeitschrift Nummer zwei. In dieser gab es weniger Artikel, dafür waren sie länger. War Jasmin auf einer Gala gewesen? Hatte sie inzwischen ein Projekt mit einem Prominenten? June kniff die Augen zusammen. Sie brannten. Zeile für Zeile las sie Artikel über vermeintliche Affären, Diäten, neue TV-Formate, über Trends in der Küche und Power-Food, dann griff sie nach dem Lokalteil von letztem Freitag und nach fünfzehn Minuten nach dem von Samstag. Da war er plötzlich, ihr Name: Jasmin Micheli. June starrte auf das kleine Foto ihrer Zwillingsschwester. Sie schien dünner geworden zu sein und ihre immer strahlenden Augen dunkler, sie lächelte schmallippig. Die Überschrift lautete:

 Kreative Pause vom Frühstücksfernsehen

Mit zittrigen Händen zog June die Zeitungsseite näher zu sich und überflog den Text. Jasmin würde aus der Frühstückssendung des lokalen Fernsehprogramms aussteigen. Der Sender und sie sprachen von einer kreativen Pause. June ahnte jedoch, dass sie die Vertragsverlängerung nicht bekommen hatte, weil sie keine neuen Ideen anbieten konnte. Sämtliche Rezepte hatte sie damals zusammen mit June ausgearbeitet. Da sie dem Sender immer ein Jahreskonzept vorlegen mussten, hatte Jasmin die Sendung in den letzten Monaten noch einmal wöchentlich füllen können.

June versuchte sich das Ausmaß dieser Entscheidung klar zu machen. Für Jasmin bedeutete das einen großen Rückschlag, ihr waren diese Auftritte sehr wichtig gewesen, sie hatte das Flair beim Fernsehen und ihre Bekanntheit in der Umgebung genossen. Der Sender hatte ihr langfristig eine überregionale Show in Aussicht gestellt. Dieser Traum war jetzt geplatzt, weil June sie im Stich gelassen hatte. Ob Jasmin jetzt erneut alles daransetzen würde, um sie zu finden und sie zu einer Rückkehr zu überreden?

Erinnerungen an die ersten Wochen, als sie unterwegs gewesen war, kamen zurück. Wenige Wochen nachdem June fortgegangen war, hatte Jasmin sie bereits einmal durch einen Detektiv aufspüren lassen. Anstatt sich bei ihr für den Streit zu entschuldigen, drohte sie ihr, Lügen über June in der Kochszene zu verbreiten, so dass es ihr schwerfallen würde, wieder einen Job zu finden. Vermutlich hatte sie gehofft, June einzuschüchtern und damit aufhalten zu können. Das hatte June dazu bewogen, quer durch Deutschland zu reisen und keinen festen Wohnsitz mehr zu beziehen, damit sie nicht mehr so leicht gefunden werden konnte. Über 500 Kilometer lagen nun zwischen Jasmin und ihr. Reichten diese aus?

June starrte auf das Foto. Wieso hatte Jasmin es bloß zu diesem Streit kommen lassen? So vieles hatte sich für sie beide deswegen verändert. June wusste nur eins, sie musste in der nächsten Zeit besonders vorsichtig und aufmerksam sein. Hastig schob sie die Zeitungen zusammen und stand auf. Ihr war schummerig. Sie würde in den Lagerraum schleichen und sich etwas Zuckerhaltiges besorgen. Vor allem brauchte sie jetzt Abstand von diesem Foto.

***

Kapitel 5 …

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E-Book, Position 1423, vorletzter Absatz

Taschenbuch, Seite 109, Mitte der Seite

… Zwei Bahnen noch, dann musste sie los.

***

Das Wasser zischte als es überkochte und auf die heiße Herdplatte traf. June hob den Deckel an und ließ ihn gleich wieder fallen. »Autsch«, fluchte sie. Wie wäre es mit einem Topflappen, June? Meine Güte, bist du nervös? Sie drehte die Temperatur runter und gab die Nudeln in den Topf. Blödsinn. Sie betrachtete ihr Spiegelbild im Fenster und zupfte den steifen Kragen der neuen türkisfarbenen Bluse zurecht, die sie sich am Vormittag extra gekauft hatte. Eine Bluse, für die du eigentlich gar keinen Platz auf deinem Kleiderständer, geschweige denn in deinem Koffer hast. Egal, sie wollte heute einen guten Eindruck machen. Laura würde mehrere Stunden ihrer Wochenenden opfern um ihr zu helfen, das war nichts Selbstverständliches und da musste sie ihr nicht in ihrem verschlissenen Kapuzenpullover gegenübertreten. Oder willst du aus einem anderen Grund gutaussehen? June schnaubte und schlug mit den Handflächen auf die Kante der Arbeitsplatte. Schluss jetzt! Seit einem Jahr hat dich keine Frau interessiert, wieso sollte das bei Laura anders sein? Du wirst ihr Kochen beibringen. In acht Wochen verschwindet sie wieder aus deinem Leben und gut ist.

 ***

Als sie um die Ecke des Restaurants bog …

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E-Book, Position 1537, letzter Satz

Taschenbuch, Seite 117, letzter Satz

… und eilte Richtung U-Bahn.

***

June sah immer wieder auf die Uhr, während sie zwischen dem Gastraum und der Küche hin und her lief. Laura war bereits seit zwanzig Minuten weg. Ob die Klingel kaputt war? June lief durch den Lagerraum und öffnete die Tür nach draußen. Es war niemand zu sehen. Sie ging um die Ecke und schaute auf den Vorplatz des Restaurants, dort waren nur ein paar Spaziergänger, Laura war verschwunden. June wurde schummerig. War sie einfach so gegangen? June tastete nach ihrem Handy. Es war eine Nachricht eingegangen. Sie las die Sätze von Laura, ließ das Handy sinken und blickte in die Ferne zu den Linden. War es ihre Schuld, dass Laura abgehauen war? War sie zu forsch gewesen?

Lauras Vorwurf hallte in ihr nach: du bildest dir ja schnell ein Urteil über jemanden. Ja, vielleicht war sie zu voreilig gewesen, aber schließlich hatte Laura sie beide durch ihr Verhalten in diese Situation gebracht. Und jetzt würden sie sich eine Woche nicht sehen? June hatte sich darauf gefreut, Laura für einige Stunden in ihrer Nähe zu haben, dass es jetzt so plötzlich vorbei sein sollte, versetzte ihr einen Stich in den Magen. June schaute erneut auf ihr Handy, klickte dann auf ihren Kalender und den morgigen Tag. Dank ihrer Recherchen im Netz, wusste sie, wo Laura morgen Mittag sein würde. Und wenn sie …? Nein, das wäre ihr bestimmt nicht recht. Obwohl, wenn Laura ihr keine andere Chance gab sie kennenzulernen, sollte June diese eine wohl einfach ergreifen. Mit festen Schritten ging sie zurück Richtung Hotel und überlegte, wie sie ihren Plan in die Tat umsetzen konnte.

***

Kapitel 7 …

~ 0 ~

E-Book, Position 2105, nach erstem Absatz

Taschenbuch, Seite 163, nach erstem Satz

(…) mich an diesem Tag gerettet.«

June musste sich zwingen nicht die ganze Zeit zu lächeln und Laura damit zu verraten, wie sehr ihre Worte sie berührten. Ein warmer Schauer hatte sich auf ihrer Haut ausgebreitet und das Kribbeln in ihrem Bauch setzte erneut ein, das Gefühl, von dem sie eigentlich gehofft hatte, Laura hätte es durch ihre unfreundliche Reaktion erstickt. Sie senkte immer wieder kurz den Blick, denn sonst drohte sie in diesen Augen zu versinken, deren Ausdruck plötzlich sanft geworden war. Vorhin schien es so, als ob Laura ganz froh gewesen war, dass June das Ganze abbrechen wollte, jetzt war sie sich nicht mehr so sicher.

***

… Zettel gern wieder bei mir.«

~ 0 ~

Anmerkung von mir: Wenn ich meine Gedanken sortieren will, gehe ich gerne spazieren. In der Rückschau fällt mir oft auf, dass in jeder Figur auch immer etwas sehr persönliches von mir steckt, zum Beispiel eine Erfahrung, eine Vorliebe oder eine bestimmte Art, Dinge zu sehen. So ist auch diese Szene entstanden. Da ich im Ruhrgebiet aufgewachsen bin, war es mir zudem wichtig, den Wandels vieler Städte in dieser Region festzuhalten.

E-Book, Position 2126, letzter Satz

Taschenbuch, Seite 165, nach erstem Absatz

… und eine Kanne Tee würden sicherlich helfen.

***

June blickte Lauras Silhouette hinterher, bis sie am Ende der Allee in einer der Seitenstraßen verschwand. Sie ging zurück in den Lagerraum und zog die Tür kräftig zu. Ihr Herz klopfte bis zum Hals. Ihre Knie wurden weich. Die Umrisse der Regale verschwammen. Die Duftmischung aus Schokolade, Brot und dem erdigen Geruch von draußen war ihr plötzlich unangenehm, er legte sich schwer auf ihre Zunge und schien kein Sauerstoff in ihre Lungen dringen zu lassen. Hastig schritt sie durch den Raum, nahm die Jacke vom Haken und zog sie über, während sie zurück zur Tür ging und eilig nach draußen trat. Die dunklen Wolken zogen schnell am Himmel entlang. Am Vormittag war es trocken geblieben, sie konnte es also wagen loszulaufen. Der Wind fuhr unter ihre Jacke. Sie brauchte dringend eine dickere Jacke für den Winter, es war an der Zeit ihre Übergangsjacke auszutauschen. Sie würde sich nächste Woche darum kümmern. Eine zu dünne Jacke wird nächste Woche vermutlich deine geringste Sorge sein. June stapfte los, sie hielt sich links und tauchte neben dem Hotel in ein Wohngebiet ein. Du wirst Laura nicht wiedersehen. Gut gemacht, June, jetzt musst du dich mit den Gefühlen für sie nicht mehr auseinandersetzen. Und wie willst du Mora klarmachen, dass die Sache mit dem Kritiker geplatzt ist? Ist dir bewusst, dass du damit deinen Arbeitsplatz gefährdest? Was willst du eigentlich noch alles vermasseln?

June streckte das Kinn in die Höhe, wie um sich zu beweisen, dass sie stark blieb und ihr all diese Gedanken nichts ausmachten. Dann musste sie eben weiterziehen. Kein Problem. Was sie monatelang geschafft hatte, würde sie nochmal bekommen. In ihrem Bauch rumorte es. Sie trat fester auf und ging schneller. Die Fassaden der Häuser zogen an ihr vorbei. Sie mochte das Viertel, hier ging sie oft spazieren an ihren freien Tagen. Überhaupt mochte sie die Stadt, die Region, mit den vielen unterschiedlichen Menschen und dem rauen Charme der Arbeitersiedlungen mit den Industrierelikten aus den Zeiten der Hochkonjunktur, den großen und kleinen Maschinen- und Fabrikhallen, in denen sich Cafés, Kletterparks und Theater angesiedelt hatten. Über die Gebäude, für die sich keiner interessiert hatte, ließ man hier Efeu wachsen, in der Hoffnung, dass sich irgendwann ein Zweck dafür ergeben würde. Die Menschen hier lebten in dem Glauben, dass sich alles zum Guten wenden würde, wenn man Geduld hatte und die Dinge ruhig anging. Selbst Mora hatte ihr diesen Glauben entgegengebracht, als June bei ihr auf der Matte gestanden hatte.

Sie wollte hier nicht wieder weg. Aber sie würde es wohl müssen.

Regen traf auf ihre Wangen und rann durch ihr Haar. Blinzelnd blickte June auf den Gehsteig. Dicke Tropfen sprenkelten den Beton. June eilte zu einem Hauseingang und stellte sich unter das Vordach. Hier in der Nähe gab es kein Café. Sobald der Schauer abgeebbt war, würde sie den Rückweg antreten müssen.

***

Laura starrte aus dem Fenster …

(bis Ende dritter Absatz auf Position 2137 E-Book)

(bis Ende vierter Absatz auf Seite 165 Taschenbuch)

… Entschlossen verließ sie die Küche.

***

Der Regen ließ nicht nach. Obwohl June von Hauseingang zu Hauseingang geeilt war, klebte die Jeans an ihren Beinen. Sie hatte die dünne Kapuze fest zugezogen, dennoch drangen die Windstöße bis zu ihrer Haut hindurch. Sie trat aus einer der Seitenstraßen hervor und traf mittig auf die Allee. Nur noch zweihundert Meter sowie die schmale Einbahnstraße vor dem Hotel trennten sie von ihrem warmen Zimmer. Sie blickte zu dem Eingang. Ein Spaziergänger mit Dalmatiner an der Leine hastete vorbei und wich ungeschickt den Pfützen aus. Ein Mann in einem langen Mantel und Hut studierte die Speisekarte des Hotel-Restaurants. June kniff die Augen zusammen. Er hatte die Hände in den Taschen, jetzt zog er einen kleinen schmalen Gegenstand daraus hervor. Ein Buch. Er machte sich Notizen. June blieb stehen. Ein Impuls drängte sie nach rechts hinter eine der dicken Linden. Sie blieb verborgen hinter dem Baumstamm und beobachtete den Mann. Er ließ seinen Blick über das Gebäude schweifen, sah sich um, dann ging er nah an die Fenster heran und schaute hindurch. Junes Brustkorb krampfte sich zusammen. Ihr Herz raste. Die merkwürdige Aufmachung und sein Verhalten … konnte es sein, dass er jemanden suchte? Nein, bitte nicht. Das durfte nicht sein.

June presste sich eng an den Baumstamm. Zentimeter für Zentimeter schob sie ihr Gesicht zur Seite, so dass sie gerade an der Rinde vorbei noch erkennen konnte, was er tat. Der Mann verschwand seitlich neben dem Restaurant. Wenn er ein einfacher Gast wäre, würde er doch nicht um das Gebäude herumgehen.

Junes Befürchtung manifestierte sich. Kam er von ihr? War Jasmin ihr auf die Schliche gekommen? Regenrinnsale liefen den Baumstamm hinab und in ihre Ärmel, doch June war unfähig sich zu bewegen. Sie presste sich an den Baum, weil er der einzige Sichtschutz zwischen ihr und dem Mann war. Da, er tauchte wieder auf, links neben dem Hotel. Er war einmal um beide Gebäude herumgelaufen und spähte nun zu den oberen Stockwerken. Wut flammte in Junes Magen auf. Sie presste ihre Handflächen so fest gegen den Stamm, dass sie schmerzten. Sie brauchte diesen Halt, ihre Beine gaben nach, doch sie zwang sich stehenzubleiben, um ihn nicht aus den Augen zu verlieren.

Der Mann machte sich noch eine Notiz, dann drehte er sich um. Ruckartig zog June ihren Kopf zur Seite. Was wäre, wenn er hierherkommen würde? Renn weg! Nein, dann würde sie nur auffallen und vielleicht war er nicht alleine. Junes Atem wurde schneller, sie bekam kaum Luft. Wieso sollte er dich hier auf der Allee suchen, bei diesem Wetter? Beruhig dich, er kommt nicht hier hin.

Mit aller Kraft zwang sie sich wieder an der Rundung des Baumes vorbeizusehen. Der Mann öffnete in dem Moment die Tür eines schwarzen Volvos und setzte sich hinein. Er zündete sich eine Zigarette an und öffnete das Fenster einen Spalt, Qualm drang aus dem Fahrzeug hervor.

June griff mit zitternden Fingern zu ihrem Handy und schaute auf das Display, es war kurz nach vier, bald würde die Dämmerung einsetzen und die Allee in diffuses grün-graues Licht tauchen. Die Laternen waren sehr schmal und beleuchteten nur die Gehwege, die zu den Seitenstraßen führten. Ein Umstand, den Mora bereits mehrmals bei der Stadt angeprangert hatte, weil so der direkte Weg zum Hotel nur schwach beleuchtet war. Gottseidank waren ihre Vorschläge dank der knappen Stadtkasse stets abgeschmettert worden.

June zog ihre Schultern noch enger an den Körper und machte sich so schmal wie möglich. Ihre Muskeln begannen zu zittern. Die Kälte fraß sich unter ihre Haut. Halte durch, halte durch. Dicke Tropfen fielen von den Blättern auf ihre Jacke und ihre Schuhe. Plitsch, plitsch, plitsch. Ihr Herz wummerte im Takt dazu. Immer wieder schaute sie vorsichtig zu dem Volvo. Der Mann hatte die zweite Zigarette aus dem Fenster geworfen und griff jetzt zum Telefon. Während er sprach, sah er immer wieder zu dem Gebäude. Sprach er vielleicht gerade mit Jasmin? Kurz flackerte das Gesicht ihrer Schwester vor ihrem inneren Auge auf. Junes Finger verkrampften sich und drückten gegen die glitschige Rinde. Halte durch. Die Wolkenwand am Himmel wurde Nuance um Nuance dunkler. Junes Augen brannten, als das Grauschwarz des Himmels die Allee endlich in Dunkelheit tauchte. Sie warf einen letzten Blick zu dem Auto, dann löste sie sich langsam von dem Baum. Es dauerte etliche Minuten, bis sie sich den entscheidenden Ruck geben konnte, um sich umzudrehen, den Schutz ihres Versteckes aufzugeben und loszulaufen.

June blieb im Schatten der Baumriesen und wich den Laternenstrahlen aus. Ihr Herz raste und machte es ihr schwer die Geräusche aus der Ferne zuzuordnen. Waren das Schritte hinter ihr? Jemand, der durch eine Pfütze lief? June ging schneller und bog hinter einer Linde in eine der Seitengassen ab. Sie lief weiter, schaute über die Schulter. Niemand folgte ihr. Trotzdem musste sie sich noch weiter entfernen, bevor sie sich eine Pause gönnen durfte. Während sie davoneilte, fühlte sie plötzlich, wie ihre Muskeln anfingen zu zucken, sie waren zu plötzlich aus der langen starren Haltung gerissen worden und fingen an zu brennen. Der Stoff der Jeans klebte klamm und kalt an ihren Beinen. Wo willst du hin, June? Sie klopfte ihre Jackentaschen ab. Ihr Portemonnaie lagerte natürlich sicher verstaut in ihrem Zimmer. Alles nur, weil du vorhin so plötzlich aufgebrochen bist. Wie konntest du so unvorsichtig sein? Wenn sie das Hotel länger verließ, nahm sie stets ihre Ausweise und einen Teil ihres Ersparten mit. Aber eigentlich hätte der Nachmittag ja ganz anders verlaufen sollen, sie wäre jetzt noch in der Küche, mit Laura, nicht hier draußen.

June fing an zu husten. Der Wind drang kühl in ihre Lunge. Mit steifen Fingern zog sie das Handy aus ihrer Hosentasche. Was hast du vor? Da gibt es niemanden, den du anrufen kannst. Oder doch? Sie blieb stehen. Was wäre, wenn sie Laura fragen würde? Sie brauchte nur für diese Nacht ein Dach über dem Kopf. Morgen würde sie zurückkehren. Wenn der Typ verschwunden war, würde sie sich durch den Noteingang schleichen, ihren Koffer holen und verschwinden.

***

Das Klingeln ihres Handys …

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E-Book, Position 2310, nach erstem Absatz

Taschenbuch, Seite 178, vorletzter Absatz

(…) ihren Plan in die Tat umzusetzen.

Anmerkung von mir: In dieser ersten Version verlässt Laura kurz die Wohnung. In der Veröffentlichung wartet Laura bis June wach wird.

Junes Blick war verschwommen als sie die Augen öffnete. Sie blinzelte einige Male, draußen dämmerte es. Sie blickte zur Seite. Laura war nicht mehr da. In der Wohnung war es still. June setzte sich mühsam auf. Ihr Rücken und ihre Oberschenkel schmerzten. Die Stunden in der Kälte hatten Spuren hinterlassen. Ihr Blick fiel auf den kleinen Tisch. Darauf standen eine Tasse, eine Thermoskanne, ein Glas Multivitaminsaft und ein abgedeckter Teller. June beugte sich nach vorne und sah einen Zettel. Sie nahm ihn zu sich und las:

Hallo June,

ich konnte nicht mehr schlafen und gehe schwimmen. Ich habe dir Frühstück hingestellt. In der Kanne ist Kräutertee. Heute Mittag koche ich.

Bis später,

Laura

June ließ das Papier sinken. Dass es für Laura selbstverständlich zu sein schien, dass June hierblieb und Laura etwas für sie kochen wollte, ließ ein angenehmes, beruhigendes Gefühl durch ihre Adern wogen. June rutschte zur Kante des Sofas, goss sich Tee ein, biss von dem Brot ab, setzte sich mit der Tasse zwischen den Händen hinten an die Lehne und zog die Decke über ihre Beine.

June betrachtete ihre beiden Kopfkissen, die nebeneinanderlagen. Dort wo Laura geschlafen hatte, waren noch Falten im Laken. June pustete in die Tasse und nahm einen kleinen Schluck. Sie ließ den Blick im Raum umherschweifen. An der Wand neben der Tür zur Terrasse war nur ein Bild aufgehängt. Ein Kunstdruck von René Magritte, eins seiner Bild, dass sie noch nicht kannte. Er hatte ein Fenster gemalt, durch die Scheibe sah man auf weiße Wolken, doch ein Spalt des Fensters stand offen, dahinter war Schwärze. Erinnerungen an ihre alte Wohnung kamen zurück und wie sie diese innerhalb eines Wochenendes aufgelöst hatte. Die meisten Möbel hatte sie verschenkt, den Rest ihres Besitzes eingelagert, darunter auch Postkarten von Magritte in Bilderrahmen. Sie bezahlte einen Studenten, der alle zwei Wochen nach der Garage sah und ihr zum Glück bisher immer ein alles okay geschickt hatte. June riss sich von dem Bild los, um nicht weiter in ihre Erinnerungen zurückgeworfen zu werden. Sie nahm noch einen Bissen des Brotes. Ob sie gleich gehen sollte? Allerdings fühlte sie sich noch sehr schlapp, ein wenig Schlaf würde ihr mit Sicherheit guttun und es war eine Möglichkeit, erneut mit Laura zu reden.

Sie dachte an den gestrigen Abend zurück. Die Wut auf Jasmin hatte komplett Besitz von ihr ergriffen, heftiger als sonst. Schon zwei Mal hatte sie in den zurückliegenden Monaten das Gefühl gehabt, dass sie ihr auf die Spur gekommen war. Sie hatte mehrmals den Job und mit ihm das Bundesland gewechselt und es hatte ihr nicht viel ausgemacht. Gestern hatte sich zu der Wut ein weiteres Gefühl gemischt. Sie war traurig gewesen. Junes Kehle schnürte sich zu. Sie dachte an das Gespräch mit Laura im Restaurant zurück. Obwohl sie so offen miteinander geredet hatten, waren sie danach doch auseinandergegangen.

Laura war gestern Abend so lieb zu ihr gewesen, anscheinend mochte sie June. Warum hatte sie sich dann darauf eingelassen das Kochprojekt abzubrechen? Wenn sie die Stadt verließ, gab es dann eine Chance mit ihr in Kontakt zu bleiben? Wie sollte sie ihr das alles erklären? Andererseits, konnte sie ihr wirklich vertrauen? Sie hatte sich schließlich schon einmal in ihr getäuscht.

June stellte die Tasse ab und schlüpfte unter die Decke. Sie betrachtete Lauras Kopfkissen. Laura hatte gestern lange ihren Rücken gestreichelt. June hatte so getan, als sei sie eingeschlafen, aber sie war wach geblieben. June schloss die Augen und stellte sich vor, sie läge wieder in Lauras Arm.

*****

Als June erneut erwachte, konnte sie sich besser bewegen, ihre Glieder fühlten sich nicht mehr so schwer an. Sie streckte sich, aus der Küche drangen Geräusche. June setzte sich auf, beugte sich nach vorne, nahm einen Schluck kalten Tee und stand auf. Sie fuhr sich mit den Fingern durch das Haar, um sie ein wenig zu zähmen und ging durch den Flur. Sie schob die Tür zur Küche auf. Laura stand am Herd und blickte ihr entgegen.

(Weiter auf Seite 179)

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E-Book, Position 2383, 2. Absatz

Taschenbuch Seite 184, 4. Absatz

… Abstand zu nehmen, von vielem.«

***

June zog ihre Hand weg. Der Satz löste ein unangenehmes Gefühl in ihrem Magen aus. Hatte Laura auch deswegen so schnell eingewilligt, es mit ihrer Abmachung nicht weiter zu versuchen? Weil sie eigentlich dabei war, sich von Dingen zu lösen und von Menschen Abstand zu bekommen? Lauras Nähe letzte Nacht hatte ihr gutgetan. Sie war so liebevoll gewesen. Und auch jetzt waren ihre Blicke so anders, als sie es sonst von anderen Frauen kannte, die einfach nur freundlich oder fürsorglich waren. Ihre Blicke waren intensiv und eindringlich. June war schon mit einigen Frauen befreundet gewesen, mit zweien davon sehr gut, aber Lauras Verhalten ihr gegenüber war damit nicht zu vergleichen. Könnte es sein, dass sie lesbisch war? June wurde heiß. Und selbst wenn es so wäre, du hast es doch gerade gehört. Sie nimmt Abstand. Warum sollte sie Interesse an jemand neuem in ihrem Leben haben. Es fiel ihr ja anscheinend leicht den Kontakt mit dir wieder abzubrechen. Ihr hättet euch eigentlich gar nicht mehr wiedergesehen. Sie ist einfach ein höflicher Mensch, deshalb ist sie dir so zugewandt. Das Zwacken im Magen nahm zu. Sie musste hier weg. June trank den Tee aus. »Ich … muss los.«

***

»Schon?«…

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Anmerkung von mir: In der ersten Fassung trifft June alleine auf Martin, deshalb musste die Begegnung neu verwoben werden. Für den besseren Lesefluss, zeige ich hier die Szenenabfolge der ersten Fassung bis zum Ende des Kapitels, somit fließt auch Lauras Sicht mit ein.

Auch inhaltlich gab es eine neue Struktur: In der veröffentlichten Fassung geht die Szenen offen aus, Laura weiß nicht, ob sich June melden wird.

Manchmal merkt man mit etwas Abstand zum Text, dass man den Gefühlen mehr Raum geben muss und die Figuren mehr Zeit brauchen, sich ihren Problemen zu stellen. Uns geht es ja auch oft so. Wenn wir mit emotionalen Situationen konfrontiert werden, kann es helfen, ein paar Nächte darüber zu schlafen oder zumindest erstmal Abstand zu gewinnen.

E-Book, Position 2404, 2. Absatz

Taschenbuch, Seite 185, ganz unten

… fiel die Tür ins Schloss.

***

June ging mit eiligen Schritten den Weg entlang.

Einatmen. Ausatmen. Ruhig bleiben. Weitergehen. Die U-Bahn suchen. Das Herzklopfen ignorieren. Und die Stimmen im Kopf, stummschalten. Du musst fort. Konzentriere dich darauf. Du hast es schon zweimal geschafft. Mach es wie damals. Du holst deinen Koffer und ziehst weiter. Vertraue deinem Bauchgefühl. Du wirst spüren, wenn du weit genug von Jasmin entfernt sein wirst. Es wird wieder klappen. Ihre Kehle schnürte sich zu. Laura war da oben, erst ein paar Schritte entfernt. Sie könnte zurückgehen, unter irgendeiner fadenscheinigen Begründung. Nein, so war es besser. Keine alten Kontakte. Das ist zu gefährlich. June fuhr sich über die Augen. Sie brannten.

Menschen gingen an ihr vorbei. Sie waren vermutlich auf dem Weg nach Hause oder zu Freunden. Sie sahen lächelnd auf ihr Handy, schauten in die Wolken oder redeten mit ihren Hunden. Wie gerne hätte June mit einem von ihnen getauscht.

Sie hastete die Treppe zur U-Bahn hinunter und stieß einen Mann an, der ihr einen Fluch hinterherschickte. Ja, ja, du hast Probleme! In zwei Minuten kam die U-Bahn. Sie starrte auf die Anzeige und dann zur Treppe.

Bitte, komm mir nach. Die grauen Stufen verschwammen in der Ferne. Warum sollte sie, June? Du bist gegangen. Du hättest heute noch bei ihr bleiben können. Zwischen euch hatte sich etwas verändert. Nein, Laura verfolgte konsequente ihre Ziele. Sie hatte ganz eigene Vorstellungen von ihrem Leben, sie war dabei, sich eine Struktur zu schaffen, in der andere offenbar keinen Platz hatten. Dann passte so jemand wie sie dort erst recht nicht hinein.

Mit einem Quietschen kam die U-Bahn zu stehen, der ölige Geruch des U-Bahn-Schachtes stieg ihr unangenehm in die Nase, June betrat den Wagon, ließ sich auf einen Sitz in der Ecke fallen und schloss die Augen.

Ruhig bleiben. Laura vergessen. Sich auf die nächsten Schritte konzentrieren. Am Hotel prüfen ob die Luft rein ist. Durch den Hintereingang schleichen, hoch ins Zimmer, den Koffer holen. Abhauen.

 ***

Nachdem Laura die Tür geschlossen hatte, wollte sie in die Küche, doch ihre Beine hatten ihren Dienst versagt. Sie hatte sich erst an die Wand gelehnt und war dann nach einigen Minuten daran hinuntergeglitten. Sie saß auf dem kühlen Boden ihres Flures und starrte auf ihre Hände. Eine einzige Erinnerung hatte sich manifestiert: Junes Hand, so nah neben ihrer. Laura nahm erneut das sanfte Flirren dazwischen wahr. Was wäre passiert, wenn Laura die letzten Zentimeter überwunden hätte? Sie riss sich von dieser Vorstellung los und dachte an die verschiedenen Begegnungen mit June zurück. Sie schien keine Beziehung zu haben. Aber was war das für eine Geschichte mit dieser Jasmin? Erst hatte sie den Namen in dem Notizbuch entdeckt und dann hatte June anscheinend von ihr geträumt. Waren sie vielleicht ein Paar gewesen? Hatte sie Probleme mit ihr?

Jedenfalls schien June momentan in großen Schwierigkeiten zu sein und sie würde noch mehr Probleme bekommen, wenn sie Mora sagen musste, dass der Besuch des Kritikers nicht stattfinden konnte. Sie gab sich einen Ruck, stützte sich auf ihre Hände, stemmte sich hoch und ging zu der Kommode, auf der ihr Handy lag.

***

Vor der Einbahnstraße des Hotels war nicht viel los. June schlich sich von rechts an das Gebäude heran. Wenige Meter davor gab es eine Plakatsäule, hinter der sie sich verbergen und das Geschehen beobachten konnte. Wenn sie weder den Volvo, noch ein anderes verdächtiges Fahrzeug oder den Typen sah, konnte sie es wagen, über die schmale Zufahrtsstraße zum Hinterhof zu eilen und durch die, zwischen alten Rosensträuchern verborgene, Notfalltür ins Gebäude zu gelangen. Sie linste um die Säule herum. Ein Paar unterhielt sich vor dem Eingang des Hotels, offensichtlich Touristen, sie zeigten in verschiedene Richtungen. Ein Junge mit Kopfhörern band sich seinen Schuh zu. Okay, jetzt. Ihr Handy klingelte. June stoppte ihre Bewegung nach vorn und drückte sich erneut gegen die Säule. Fahrig tastete sie nach ihrem Handy und zog es aus der hinteren Hosentasche. Es war Laura. Warum rief sie an? Hatte June vielleicht etwas vergessen. Nein, ihr Portemonnaie war da. Geh ran, sonst wirst du dich die ganze Zeit fragen, was sie wollte.

»Hallo?«

»Hi, Laura hier.«

»Ja?«

»Ich, also, ich wollte dich fragen, ob wir das mit dem Kochprojekt nicht doch wieder aufnehmen sollten. Erstens bekommst du dann keinen Stress mit Mora und zweitens, und das finde ich viel wichtiger, würden wir uns weiterhin sehen. Ich meine, wir verstehen uns doch ganz gut, oder?«

June umschloss das Handy fester. Laura wollte sie wiedersehen?

»June?«

»Ja, ich habe dich verstanden. Ich kann gerade schlecht sprechen. Kann ich dich später zurückrufen?«

»Ja, natürlich.«

»Bis später.«

»Bis dann.«

Das Tuten erklang. June steckte das Handy weg und merkte, wie sich ihr Brustkorb zusammenzog. Laura wollte sie wiedersehen. Warum hatte sie jetzt angerufen?

Denk nicht darüber nach! Geh los! Sie riss ihren Körper herum und betrat den vertrauten Weg mit hastigen Schritten. Sie fummelte nach dem Schlüssel in ihrer Tasche, ging auf die Rosensträucher zu, drehte den Schlüssel im Schloss um, drückte den Alarmknopf nach unten, trat ins Gebäude und verschloss die Tür wieder.

Warum wollte Laura sie überhaupt wiedersehen? So viele Gründe sprachen dagegen. Du hast doch eh keine Wahl! Ein Schmerz durchfuhr ihre rechte Seite, gerade noch rechtzeitig konnte sie die Hände nach der kleinen Vase auf dem Beistelltisch ausstrecken, vor den sie geradewegs gelaufen war. Sie starrte auf ihre Hände, die das runde Objekt umklammerten. So, stell das hin und konzentrier dich gefälligst. Wie willst du denn das Hotel verlassen, ohne gesehen zu werden, wenn du dich so verhältst? Verdammt, warum hatte Laura sie bloß angerufen? Sie musste sich konzentrieren

June schlich langsam den Flur entlang und spähte um die Ecke, sie öffnete die Tür zum Treppenhaus, lauschte und nahm, als sie niemanden hören konnte, zwei Stufen auf einmal.

Irgendwann wirst du Jasmin wieder gegenübertreten müssen. Du kannst nicht ewig so ein Leben führen. June war sich dessen natürlich bewusst, aber sie hatte sich geschworen, Jasmin erst wiederzusehen, wenn sie wusste, wer sie wirklich war. Zu groß war die Gefahr, dass ihre Schwester wieder versuchte sie zu manipulieren oder sie unter Druck zu setzen. Sie war noch nicht bereit für eine Begegnung.

June betrat den langen Flur, niemand war zu sehen, nur noch wenige Treppenstufen trennten sie von ihrem Zimmer und dem Koffer.

»Hey June.«

June wirbelte herum.

Martin stand vor ihr und grinste sie an.

Verdammte neue Teppiche!

»Hey, Martin. Man, hast du mich erschreckt! Was tust du hier?«

»Hab einen kaputten Stuhl in die Rumpelkammer gebracht. Er ist gestern einer spontanen Feierlichkeit zum Opfer gefallen. Mora hat ein paar Schnäpse ausgegeben. Hab bei dir geklopft, aber du warst ja nicht da.«

»Was war denn der Anlass?«

Er trat näher und grinste. »Wird eine gute Woche, sie ist bester Laune.« Er genoss es anscheinend, dass er June gegenüber einen Wissensvorsprung hatte. Sein Lächeln wurde noch breiter. Dieses Grinsen hatte sie noch nie gemocht, eine Hälfte seines Mundwinkels wandte sich dann in die Höhe und gab unnatürlich weiße Zähne frei. Wahrscheinlich fuhr er sich jetzt durch das Haar.

»Wieso?«

Er fuhr sich mit den Fingerspitzen durch die vorderen Haarsträhnen. »Erst die Sache mit dem Kritiker und nun interessiert sich auch noch ein Fotograf für das Hotel. Er will einen Bildband über historische Gebäude in der Stadt rausbringen. Gestern gegen Abend stand er auf einmal an der Rezeption.«

»Gestern?«

»Ja, typisch Künstler, die haben ihre Ideen anscheinend zu den unmöglichsten Zeiten. Merkwürdiger Typ übrigens, mit Mantel und Hut. Er hat sich etliche Notizen gemacht und war sehr neugierig.«

June starrte Martin an. »Ein Fotograf sagst du?«

Martin winkte ab. »Ein Wichtigtuer, wenn du mich fragst, hat mir eine Stunde lang Fragen gestellt.«

»Was für Fragen? Hat er auch nach mir gefragt?«

Martin zog eine Augenbraue hoch. »Wieso nach dir?«

»Ich meine, wollte er auch etwas über die Angestellten wissen?«

»Klar habe ich ihn auch in die Küche geführt, hauptsächlich interessiert er sich aber für die Muster des Marmors der Waschbecken und in welche Richtung die Treppengeländer geschwungen sind, zudem will er lauter alten Papierkram sehen, Pläne und so ein Zeugs. Zwei Stunden hing er in der Lobby rum. Drei Mal musste ich in Moras Aktenraum. Ihre Ordnung ist nicht die Beste.« Martin zuckte mit den Schultern. »Nun ja, uns kann es ja recht sein. Geht es Mora gut, geht es uns umso besser. Also, bis später oder morgen. Wie auch immer.«

Er ging davon, ohne ihre Antwort abzuwarten. June blickte ihm noch hinterher, obwohl er längst den Flur verlassen hatte. Sie lehnte sich an die Wand und ließ Martins Informationen sacken.

Hatten sie die letzten Monate so ängstlich werden lassen, dass sie beim Anblick des Mannes gleich das Schlimmste befürchtet hatte? Sonderlich klug hatte sie sich nicht verhalten. Allerdings hatte sie sich ihr Leben lang auf dieses eine intensive Gefühl verlassen können, dass sie immer dann spürte, wenn Jasmin viel an sie dachte, sie besonders glücklich oder traurig oder ganz in ihrer Nähe war. Allerdings hatten sie sich über ein Jahr nicht gesehen. So lange waren sie noch nie voneinander getrennt gewesen. Begann ihre Wahrnehmung sie langsam zu täuschen?

Junes Knie wurden stabiler, das Atmen fiel ihr leichter. Bedeutete das, sie musste nicht fort? Sie konnte bleiben? Sie drückte sich von der Wand ab und starrte zum Ende des Flures, wo die Stufen zu ihrem Zimmer anfingen. So schlecht es ihr gestern auch gegangen war, ein Gutes hatte das Ganze gehabt, sie hatte den Kontakt zu Laura wieder aufgenommen. Laura! Laura wollte sie wiedersehen … Mit zitternden Fingern griff sie nach dem Handy. Sie ging ein paar Schritte, um wieder Kontrolle über ihren Körper zu bekommen. Wenn du sie jetzt anrufst, wirst du dich mit deinen Gefühlen für sie auseinandersetzen müssen. Sie drückte die Wahlwiederholung. Es dauerte nur wenige Sekunden bis sie Lauras Stimme hörte.

»Hi, June.«

»Hey, entschuldige, ich konnte gerade nicht reden.«

»Schon okay.«

»Also, du magst es nochmal mit unserem Kochkurs versuchen?«

»Ja, wenn du auch noch willst? Meine Suppe hat dich schließlich überzeugt. Vielleicht schlummert doch ein wenig Talent in mir.«

June musste lächeln. »Wir haben nicht mehr viel Zeit.«

Laura räusperte sich. »Ich könnte nächsten Samstag früher kommen. Ich meine, wenn das auch für dich okay ist.«

»Ja, natürlich.«

»In Ordnung.«

»Ich wollte dich noch fragen, ob es dir besser geht?«

Der besorgte Ton ihrer Stimme traf June direkt in den Magen. Erst jetzt wurde ihr bewusst, was für einen Schreck sie Laura eingejagt haben musste. »Ja, es geht mir besser. Dank dir.«

»Schon okay, ich bin froh, dass ich helfen konnte. Also, wenn du mal wieder eine Möglichkeit zum Übernachten brauchst, oder sei es auch nur ein Zelt. Du kannst mich gerne anrufen.«

»Gut zu wissen.«

»Bis Samstag.«

»Bis dann.«

Das Tuten erklang und June ließ das Handy sinken. Himmel, diese Stimme … Sie sah auf ihre zitternden Hände. Sie hatte schon so viele Menschen getroffen, doch niemand hatte je solche Gefühle bei ihr ausgelöst. Sie blickte aus dem Fenster auf den Innenhof und verschränkte ihre Arme. Nächsten Samstag also. June atmete tief durch und machte sich auf den Weg zu ihrem Zimmer.

***

Laura lächelte. June hatte besser geklungen. Während sie telefoniert hatten, war Laura durch die Wohnung gelaufen. Im Wohnzimmer war sie stehen geblieben und schaute auf das Sofa.

Bilder des gestrigen Abends überfluteten sie, doch Erinnerungen an ihre Zeit mit Melissa drängten sich dazwischen. Diese Mischung fühlte sich nicht gut an. Laura zog ihre Schuhe an, öffnete die Terassentür und trat hinaus an die frische Luft. Ihr Blick fiel auf das Zelt. Warum war sie neben June eingeschlafen? Zum ersten Mal, seit sie zurück auf der Erde war, hatte sie wieder in einem Zimmer übernachten können. Wenn June in ihrer Nähe war, wurde sie ruhiger, gleichzeitig war da dieses aufregende Kribbeln.

Laura schaute über die Brüstung, hinunter auf die roten und schwarzen Dächer der anderen Häuser, betrachtete die Baumwipfel und folgte dann dem Flug der Wolken. Hatte sie das Recht über ihre Gefühle für June nachzudenken, obwohl da diese Sache mit Melissa war? Betrog sie Melissa dadurch? Betrog sie sich selbst? In was für eine Situation geriet sie da gerade? Sie musste mit Melissa reden. Sie ging zurück in das Wohnzimmer und begann die Decken abzuziehen und verfluchte dabei ihre zittrigen Hände. Von dem Mut, 355 Kilometer über der Erde aus einer Lucke zu steigen und im Weltall zu treiben, war momentan wenig übrig, aber er musste reichen, um Melissa morgen nach einem Treffen zu fragen.

***

E-Book, Position 2468

Kapitel 13 …

Taschenbuch Seite 190

Kapitel 13 …

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Anmerkung von mir: Die Begegnung mit ihrer Schwester habe ich in der ersten Fassung aus Junes Sicht geschrieben.

E-Book, Position 3115, 5. Absatz, nach zweitem Satz

Taschenbuch Seite 241, 5. Absatz, nach zweitem Satz

… Laura ging die Holztreppe hinauf und klopfte.

***

June öffnete die Tür und lächelte. Sie zog Laura ins Zimmer, schob die Tür zu und gab ihr einen Kuss.

»Hola. Du nimmst mir die Luft.«

»Das hoffe ich doch.« Gerade wollte sie Laura umarmen, da griff diese nach ihren Händen und schob sie nach unten.

»Ich weiß, ich habe gesagt, dass ich mich mit dir treffen will, aber ich bin wegen jemand anderem hier.«

June ging zurück und betrachtete Lauras Gesicht. Ein unruhiges Flackern lag in ihren Augen.

Laura drückte sanft Junes Hände. »Ich hatte gestern Abend Besuch.« Laura rang anscheinend nach den richtigen Worten.

Das klang sehr merkwürdig. War da etwa was mit einer anderen Frau, dass Laura ihr verheimlicht hatte? »Meine Güte, jetzt sag schon.«

»Jasmin war bei mir.«

Junes Brustkorb zog sich unangenehm zusammen und ihre Kehle schnürte sich zu. Jasmin? Sie ließ Lauras Hände los. Jasmin hatte sie gefunden. Dann hatte sie doch recht gehabt. Der Fremde hatte sich vor Mora nur als Fotograf ausgegeben, um sich im Hotel aufhalten zu können. Stattdessen hatte der Detektiv für Jasmin herausgefunden, wo sie war. Und ihre Schwester wusste von Laura.

Junes Finger zuckten. Laura wusste nun auch, dass sie und Jasmin Zwillingsschwestern waren und dass sie ihren richtigen Namen vor ihr verheimlicht hatte. Warum hatte June ihr nicht direkt alles erzählt? Nur aus der Angst heraus, auf Unverständnis zu stoßen? War Laura jetzt sauer auf sie?

»Ist zwischen uns alles in Ordnung?«

Laura ging einen Schritt auf sie zu und strich ihr über den Arm. »Ja, das ist es.«

June atmete aus. »Was wollte sie von dir?«

»Sie hat mir von euch erzählt. Und von dem Restaurant.«

»Laura, ich habe dir nicht alles erzählt, weil ich Angst hatte, dass du es nicht verstehen würdest. Jasmin und ich hatten eine besondere Beziehung, ich wollte dich damit nicht überfordern.« Ihr Herz klopfte bis zum Hals.

»Jasmin hat versucht es mir zu erklären. Es war bestimmt nicht immer leicht für euch.«

June sah, dass Laura sich zusammenriss, ihre Tonlage schwankte. Sie war enttäuscht, aber sie versuchte das Ganze zu verstehen. Und Jasmin hatte anscheinend dazu beigetragen. Wieso hatte sie das getan?

»Danke, dass du nicht sauer bist.«

Laura huschte ein Lächeln über die Lippen. »Das würde mir auch schwerfallen, du bist mir sehr wichtig.«

June lächelte ebenfalls.

»Ich weiß, wie wütend du auf deine Schwester wegen ihrem unfairen Verhalten bist. Aber sie hat vieles zu dir gesagt, was sie bereut. Sie vermisst dich. Und ich denke, dass du sie tief in deinem Innern ebenfalls sehr vermisst.«

June schluckte.

»June, sie ist hier. Sie will mit dir reden.«

Junes Mund wurde trocken.

»Sie wartet unten. Meinst du, du kannst euch beiden diese Chance geben?«

June schüttelte sachte den Kopf. »Ich weiß nicht, ob ich ihr verzeihen kann.«

Laura fuhr ihr über den Arm. »Das musst du auch jetzt nicht entscheiden. Es wäre nur ein Schritt auf sie zu. Mehr nicht.«

»Bleibst du hier?«

»Wenn du das möchtest.«

Ihre Blicke trafen sich. June nickte. Laura lächelte ihr zu. Sie drehte sich um und ging zur Tür.

Die Umgebung verschwamm vor Junes Augen. Sie fuhr sich über das Gesicht und machte einige Schritte weg von der Tür. Die Stufen knarzten und zwei Silhouetten erschienen. Jasmin betrat den Raum. June erschrak. Sie hatte sich verändert. Ihre Wangen waren eingefallen. Sie trug die Haare noch kürzer als früher und feine silbrige Strähnen woben sich durch das tiefe Braun.

Laura zog die Tür zu, ging rechts an ihr vorbei zum Fenster und verschwand aus ihrem Sichtfeld.

»Hallo Julia«, sagte Jasmin leise.

June spürte einen Stich im Magen. Es war auch Jasmins Schmerz, den sie empfand. Über ein Jahr waren sie getrennt voneinander gewesen.

Lauter, als sie es beabsichtigt hatte, brach es aus ihr heraus: »Warum hast du mir das angetan?«

Jasmin zuckte zusammen.

»Wieso hast du mir nicht geholfen, als ich dich brauchte? Ich habe dir nie im Weg gestanden. Für mich war es auch schwer, als du Richard kennengelernt hast. Aber ich wollte nur eins, dass du glücklich bist. Warum hast du mir nicht geholfen, mein Glück zu finden?«

Jasmin blickte sie an, die Tränen stiegen ihr in die Augen. »Ich hatte nicht die Stärke dafür«, ihre Stimme versagte, doch sie versuchte sich zu fangen und sprach weiter. »Du hast einen unantastbaren Kern in dir, der dich antreibt. Ich habe dich immer um deinen Mut beneidet, ganz und gar in etwas aufzugehen. Ich brauchte deine Energie und deine Kraft, um Neues zu wagen. Ohne dich, hätte ich Vieles nicht geschafft. Plötzlich gab es da einen Menschen, der dir wichtiger werden konnte als ich. Ich hatte Angst, dich zu verlieren und mit dir, auch ein Stück von mir selbst. Du hast in deinem Leben schon so viel geleistet und ich dachte, das Kochen würde dich immer tragen, ich wollte nicht, dass dich diese neuen Gefühle in Verzweiflung stürzen und du deine Leidenschaft in Frage stellst. Deswegen habe ich versucht, das Ganze schlecht zu reden und habe so getan, als würde ich dich nicht ernst nehmen.«

June starrte sie an. Sie hätte nicht geglaubt, dass Jasmin so viele Zweifel an sich selbst hatte. Auch wenn sie fast gleich alt waren, war Jasmin für sie immer die große Schwester gewesen. Sie hatte sie stets beschützen wollen und June hatte sich darauf verlassen, dass in jeder Situation jemand an ihrer Seite war, der sich für sie einsetzte. Vielleicht war ihnen das zum Verhängnis geworden. Jasmin hatte June vor sich selbst schützen wollen.

Jasmin ging ein paar Schritte auf sie zu. »Es tut mir so unendlich leid. Ich habe unseren Streit eskalieren lassen und dich unter Druck gesetzt.« Eine Träne rann ihr über die Wange, doch sie wischte sie fort. »Ich vermisse dich, jeden Tag. Ich kann das was war, nicht ungeschehen machen. Aber ich weiß, dass ich nie wieder so einen Fehler machen werde, nämlich den Menschen, den ich am meisten liebe, zu verletzen.«

Junes Knie wurden weich. Jasmin hatte den langen Weg auf sich genommen, ohne zu wissen, ob June überhaupt mit ihr reden würde. In all den Jahren, hatte sie nie über ihre Ängste geredet und June hatte nie danach gefragt. Sie hatte den Ehrgeiz ihrer Schwester immer mit Stärke gleichgesetzt.

»Ich vermisse dich auch«, sagte sie leise.

Jasmin kämpfte mit den Tränen. »Bitte, nimm meine Entschuldigung an. Ich kann dich nicht noch einmal verlieren.«

June sah ihr in die Augen, dann machte sie einen Schritt auf sie zu und zog Jasmin an sich.

Das Gefühl, Jasmin endlich wieder in den Armen zu halten, überflutete sie. Zum ersten Mal in ihrem Leben, fühlte sie sich ganz. Sie fühlte Jasmins vertrauten Körper an ihrem und war sich der schönen Gewissheit bewusst, dass Laura in diesem Zimmer war. Laura, in die sie sich verliebt hatte und die allem Anschein nach, mit ihr zusammen sein wollte.

Einige Minuten hielten sie sich fest. Jasmins Körper bebte.

»Du weinst ja noch schlimmer als beim Zwiebeln schneiden.«

Jasmin lachte und löste sich von ihr, dann fuhr sie sich mit den Händen über das Gesicht. »Deswegen standst du ja auch immer in der Küche und nicht ich.«

June ging zum Schränkchen, zog eine Packung Taschentücher aus der Schublade und reichte Jasmin eins.

Laura kam auf sie zu. »Ich mache uns mal einen Tee, ja?«

June lächelte ihr zu.

Jasmin schnäuzte sich. »Ich verschwinde kurz im Bad.«

»Direkt neben der Eingangstür«, sagte June und zeigte in die besagte Richtung.

Als Jasmin den Raum verlassen hatte, drehte sich June zu Laura, die gerade Wasser in den Kocher laufen ließ. Sie legte die Arme um ihren Bauch und schmiegte sich an sie. »Danke.«

Laura wandte sich ihr zu und gab ihr einen Kuss auf den Mund.

***

E-Book weiter bei Position 3166

Taschenbuch weiter auf Seite 245

Der Tee dampfte aus den Tassen …

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Das waren meine Outtakes aus „Letzte Zutat Liebe“. Ich hoffe, diese Reise hinter die Kulissen hat dir gefallen. Konntest du die Szenen so gut nutzen? Ich freue mich über Post von dir: inaspostkasten@ina-steg.de.

Herzliche Grüße

deine Ina